die produktion von heiligen

“Wer wahrhaft heiligt lebt, wird wohl im Himmel bestimmt”, schreibt bruno s. frey in der heutigen weltwoche. “wer aber als Heiliger anerkannt wird, das hängt von vielen menschlichen und kirchenpolitischen Faktoren ab”, fügt er lakonisch bei und seziert die heiligenproduktion mit den instrumenten aus der weltsicht der ökonomen. das beantwortet meiner meinung nach nicht alle fragen.

Nicholas-Fluebruder klaus, einer der schweizer heiligen, der von der römisch-katholischen kirche anerkannt wurde.

der bekannteste schweizer ökonom der gegenwart, bruno s. frey, stützt sich auf eine untersuchung von robert barro, einem kollegen von der uni chicago, der ganz profan, die produktion von heiligen durch die katholische kirche untersucht hat. betrachtet wurde der zeitraum von 1592 bis heute, analyisiert wurden die heiligsprechung durch die letzten 35 päpste.

der härteste schlag gegen die heiligenscheine geht von der analyse der herkünfte aus. 47 prozent stammen aus, wie man erwartet es nicht anders, aus italien. 87 prozent sind europäer, 7 prozent latinos und die restlichen 6 prozent kommen aus der übrigen welt. sich, das alles hängt mit der globalen verbreitung des katholischen christentums zusammen. doch auch mit der herkunft der päpste, den italien stellte auch in der neuzeit mit abstand am meisten von ihnen.

in jüngster zeit hat die heiligen-produktion zwar von 1 pro jahr auf rund 3 zugenommen; es hat sich jedoch nicht der kreis der berücksichtigten erweitert. lässt man die beiden letzten päpste weg, wagten es ihre vorgänger nur 3 mal einen papst in de höchsten rang der kirchlichen vorbilder zu erheben. johannes paul II. ehrte gleich zwei seiner vorgänger, nämlich pius ix. und johannes xxiii., auf diese art und weise. und von benedikt xiv. sagt man, er habe vier päpste auf seiner liste der möglichen heiligen.

steht dahinter die hoffnung, von einem nachfolger ebenfalls zum heiligen gemacht zu werden?, fragt bruno s. frey. selbstverständlich weiss er, dass er damit hochgradig provoziert. die umstände, die zeit, je die verquickung des amtierenden papstes in den pädophilen-streit in- und um die katholische kirche sind zu gegenwärtig. unterstellt wird damit auch, das prinzip des eigennutzens, das lieblingsthema der ökonomen der gegenwart, wirke bis in herz der vorbildproduktion in der katholischen kirche. was den bankern recht ist, ist auch den päpsten billig genug!

irgendwie scheint mir das zu kurz zu greifen. richtig an der analyse will mir scheinen, ist der hinweis auf die zentralisierung der heiligsprechungen in der römischen kirche; die lokalen heiligen, die den menschen nahe stehen, haben es heute sehr schwer, ausgezeichnet zu werden. richtig ist auch, dass die römische kirche mit der zentralisierung die vorbilder in der peripherie schneller vergas, als jene, die nahe beim zentrum wirkten. und richtig ist schliesslich auch, dass die letzten 35 jahre, angesichts des verbreiteten wertewandels von religiösen zu säkularen werten, steigende anteile austretender kirchenmitglieder produzierte, welche die beiden letzten päpste mit einer überproduktion an heiligen zu kompensieren suchten.

doch bleibt das faszinosum herausragender personen, die zu heiligen wurden, wie etwas das von niklaus von der flüh, dem innerschweizer eremiten, der sich aus dem weltlichen leben zurück zog, zum einsiedler, weltbetrachter und politischen ratgeber wurde. mit dem charismatiker beschäftigten sich nicht nur seine zeitgenossen im 15. jahrhundert, wie adrian von bubenberg intensiv. ja, der auch heute meine zeitgenossen beschäftigt, als eine der merkwürdigsten figuren der werdenden schweiz. letztlich reicht keiner der scheinheiligen der gegenwart dem heilgenschein von bruder klaus das wasser. wer weiss, ob niklaus aus obwalden nicht zum schrägen kauz verkommen und vergessen gegangen wäre, hätte er, lange nach seinem tod, nicht auf die heiligsprechung zählen können. dem mysterium heiliger wird man mit produktionsanaylsen nach dem fliessbandvorbild eben nicht gerecht.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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