obwohl gerüchte faszinieren, ist es besser, sie zu ignorieren

das plakat enthält leerstellen, die zu einer mehr oder weniger losen kommunikationskette verknüpft werden. was dabei herauskommt ist, das gerücht, das uns immer wieder von neuem fasziniert, das wir aber besser ignorieren sollten.

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plakat zur ausstellung: wie ein gerücht entsteht, wovon es lebt, und warum es nichts taugt (foto: stadtwanderer)

eigentlich ist es ein museum. eines für kommunikation. unweigerlich verbinden wir damit eine gesamtschau grosser leistungen. des redens, hörens, schreibens, malens und sehens. die ausstellung “schon gewusst?” des berner museums für kommunikation geht aber nicht dem, sondern mit der fama den niederungen des alltagsgesprächs, den zeitungsenten und den filmsuggestionen nach.

wo menschen miteinander kommunizieren, taucht früher oder später das gerücht auf, heisst es in der ausschreibung zur ausstellung. das ist am familienfest genauso der fall wie im sportklub, im treppenhaus, am stammtisch, auf dem marktplatz, im büro, auf dem pausenhof, im coiffeursalon, am börsenring oder im parlamentssaal.

das gerücht ist weder richtig noch falsch, erfährt man am angang zur ausstellung. hauptsache ist, dass es durch seine flüchtige, vergängliche, unberechenbare form nur schwer kontrollierbar ist. denn genau eröffnet den für gerüchte nötigen raum für interpretationen. und das ist es, was das gerücht nicht wahrer macht, aber warm hält.

ein experte für verschwörungstheorien erklärt in der ausstellung via videobotschaft, warum dieser form des gerüchts nicht verschwindet. gott hat die welt geschaffen, behaupten die religionen. weshalb gibt es dann neben dem guten auch das schlechte in der welt, ist eine häufig gestellte frage. der antworten sind zwei: weil es gott nicht gibt, sagen die atheisten. oder weil es jemanden gibt, der den plan gottes durchkreuzen will, sagen die gläubigen. deshalb brauchen religionen die verheissung und den teufel, der zuschlägt, wenn es zu einem attentat auf würdenträger kommt oder wenn der mensch übergöttliche leistungen erbringt. und das ist die geburtsstunde der verschwörungstheorien.

es gibt auch profanere erklärungen von gerüchten: demnach wurzelt der ursprung des gerüchts in uns selber. denn kommunikation besteht immer aus einem sender und einem empfänger. dass dabei missverständnisse fast unvermeidlich sind, ist eine binsenwahreheit. denn die kommunikation kann die menschlichen empfänger überfordern. und die menschlichen sender können bewusst darauf setzen, falsch verstanden zu werden. je mehr sensation in der luft liegt, je mehr betroffen sein können und je prominenter der durch missverständnisse geschädigte ist, desto schneller verbreitet sich das gerücht, in unseren reden, aber auch in unseren medien, lehrt uns zwischenzeitlich die gerüchteforschung.

gerüchte sind denn auch das älteste medium, das die menschen geschaffen haben.

symbolisch für die absicht der gerüchte-präsentation in bern ist, dass das tragende gerüst der ausstellung aus einem gestell mit dünnen balken und viel luft besteht. es zieht sich durch den ganzen museumsraum wie eine wolke, die zuerst konturen zu haben scheint, doch je näher man kommt, aus lauter löchern besteht. nicht inhalte füllen die wolke im ausstellungsraum, über die man so oder so denken könnte und über deren richtigkeit man sich verständigen könnte. nein, es ist das zischen vieler stimmen auf tonbänder die einem beim rundgang begleiten, deren botschaften man über kopfhörer abhören könnte, ohne dazu wirklich motiviert zu sein.

denn wenigstens in der ausstellung weiss man, dass die verdichteten erzählungen nicht mehr als gerüchte sind.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

14 Gedanken zu „obwohl gerüchte faszinieren, ist es besser, sie zu ignorieren“

  1. Bei Weitem nicht Alles was in den Medien steht ist falsch. Doch verschwimmt die Grenze immer mehr zwischen Information und Fiktion was dem Gerücht Tür und Tor öffnet. Denn meistens in ein Quentchen Wahrheit dabei das aber soweit ausgeschmückt wurde das Alles in Schieflage gerät.

  2. Ja da wollte ich auch noch vorbei und hätte es beinahe vergessen, gäbe es diesen Beitrag nicht (auch das ist kein Gerücht).

    Trotzdem schon vorgängig eine Frage: Wurde das Thema auch bezüglich der neuen Medien behandelt? Verbreiten sich Gerüchte und der jeweiligen Dementis schneller, häufiger oder «anders» wegen Internet?

  3. hej
    nein, es kommen alle medien zur sprache. das fernsehen, die tagespresse, und internet. internet hat ja nur mehr akteure, entwickelt die kultur auch deutlicher, hat aber weniger gezielte reichweite. ein gerücht in der presse ist immer noch wirkungsvoller als eines im internet.

  4. …ausser die Presse bezieht sich aufs Internet, namentlich Wikipedia, siehe Fall von und zu Gutenberg mit seinen unzähligen (und dann auch frei erfundenen) Vornamen… 🙂

  5. Lieber stadtwanderer 😉

    Wir in Schweden wundern warum Bern genau Bern heisst? Kommt det namen von Bären?

    Wir haben zwar Bären, aber kein Bern..

    /Nina + familie

  6. heja nina
    in der tat, bern, bärn, bär ist scheinbar alles nahe beisammen. und deshalb gibt es in bern auch viele menschen, die glaube, bern sei die eigentliche bärenstadt.
    der tolle finn und die tolle björk, die wir gegenwärtig im bärenpark haben, sind ja fast schon wie der beste beweis hierfür.
    die sprachgelehrten zweifeln aber. und das mit gar nicht so schlechtem grund.
    denn die alemannen, welche die deutsche sprache hier (vor 1500 jahren) heimisch machten, waren nicht die ersten siedler an der aare.
    vor ihnen war eine römische oberschicht, mit keltischen bauern (vor mehr als 2000 jahren).
    die kelten lebten vorzugsweise am wasser, an seen und an flüssen. sie gaben vielen flüssen auch namen. a(a) wird denn auch gerne als keltisches wort für (grosses) wasser verwendet.
    die keltischen flussnamen haben vielerorts überlebt. so auch im aaretal, dem tal des grossen wassers durch das (heute schweizerische) mittelland.
    davon gibt es mehrere ableitungen, die sinn machen. zum beispiel biarna. was ein by ist muss ich dir als schwedin ja nicht erklären. biarna wäre demnach eine bekannter ort an der aare. bekannt war er als übergang über den wilden fluss, den man mit einer fähre einigermassen sicher bewältigen konnte. der sicherste ort ist zwischen zwei felsen, wo die aare durchmuss, und der ist dort, wo der älteste stadtteil liegt.
    eine ähnlich interpretation gibt es mit berna, einem wort für schmale stelle, schlitz, kluft. auch das meint, dass der fluss da durch muss.
    nun ist es von berna nicht weit bis bern. aber ziemlich weit bis bär …
    so würde ich sage: bern ist die stadt am ort, wo die aare durch zwei felsen geht, und überwunden werden kann. von menschen, nicht von bären. die gehen nämlich auch andernorts gerne baden. als es sie hier noch auf freier wildbahn gab.

    grüsse an familie und an luzia nöggi!
    stadtwanderer

    ps: dein name ist jetzt freigeschaltet. du kannst jetzt jederzeit kommentieren, und seine sachen erscheinen sofort.

  7. In den Medien wird die Frage laut, warum man die Bären so selten sieht.

    Normalerweise halten doch Bären einen Winterschlaf. Oder etwa nicht?

    Ist es denn möglich, dass man diesen armen Tieren, da nicht frei lebend, selbst das Letzte ihrer Bedürfnisse nimmt? Genügt es denn nicht, dass sie eingesperrt dahinvegetieren müssen? Will man ihnen nun auch noch den von der Natur vorgegebenen Winterschlaf rauben?

  8. Danke für die antwort!
    Bruno hatt deine antwort ausgedruckt so ich sie beim früstück gelesen haben könnte. Intressante gründe warum Bern, BERN heisst 🙂

    / Nina

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