die oft vergessene stadt

wer von der agglomeration bern spricht, übersieht gerne, dass sie gleich aus zwei städten besteht. zeit, das so oft übersehene köniz zu entdecken.

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blick auf köniz (bild: ueli raz)

mit gut 38’000 einwohnerInnen ist köniz die grösste agglomerationsgemeinde der schweiz überhaupt. das ist in zahlen zwar nur gut ein viertel von bern, reicht aber in der schweizerischen städteparade problemlos für den 12. platz – gleich hinter biel/bienne und thun, aber vor la chaux-de-fonds und schafhausen.

das geheimnis des berner vorortes besteht darin, aus einem zusammenschluss zahlreicher siedlungen entstanden zu sein, von denen mehrere ähnlich stark waren: köniz, wabern, liebefeld, spiegel und schliern sind bis heute die fünf wichtigsten unter ihnen. mehr als 1000 bewohnerInnen haben noch niederscherli, nieder- und oberwangen sowie schwanden. hinzu kommen 13 weiler, wovon herzwil mit 55 bewohnerInnen der kleinste ist. für fusionsgemeinden hat köniz fast schon modellcharakter. die kerngemeinde gibt den namen, die 10 weiteren wichtigeren vormaligen dörfer bleiben als quartiere bestehen.

einen vorteil hatte man aus der geschichte mit auf den weg bekommen: hervorgegangen sind die gemeinden 1834 aus der gemeinsamen kirchgemeinde mit der berühmten kirche von köniz., die burgundischen ursprungs sein dürfte. zunächst war man in viertelsgemeinden organisiert, die 1878 zur jetzigen gemeinde zusammengefasst wurden. 1929 machte bern köniz ein angebot zu einer fusion. “gross-bern” hätte damals entstehen können, – und zusammen würde man heute gegen 180000 einwohnerInnen haben. doch anders als bümpliz, das aus purer not mit der stadt bern fusionierte, lehnte köniz die zusammenlegung mit der stadt ab.

durch den ausbau von infrastrukturen, wohnquartieren und arbeitsstellen in köniz sind die beiden städte heute weitgehend eins geworden. häufig kennen nur ortserfahrene die gemeindegrenze. die zahlreichen beamten des bundesamtes für gesundheit, vertrinärwesen, meteorologie oder landestopografie wissen wohl nicht alle, dass sie gar nicht in der so oft zitierten beamtenstadt bern arbeiten.

politisch gibt sich köniz bis heute auspgesprochen selbstbewusst; die stadt versteht sich als vorreiter gegenüber dem zentrum: bei den wahlen 2009 in die gemeindebehörden (!!!), gab es erstmals eine rotgrüne mehrheit. die sp ist mit zwei, die grünen mit einer vertretung in der fünfköpfigen stadtexekutive vertreten, und die bürgerlichen parteien sind in die minderheit versetzt worden.

die sozialdemokratInnen stellen mit luc mentha traditionellerweise den “stapi” von köniz. genauso wie in bern, möchte man sagen. doch anders als in grossen kernstadt senkte man in köniz kurz vor den jüngsten wahlen die steuern. nicht zuletzt um im standortwettbewerb zu bern attraktiv zu bleiben!

städtewanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

9 Gedanken zu „die oft vergessene stadt“

  1. Als Könizer freue ich mich natürlich, wenn meine Heimatgemeinde eines Besuches durch den Stadtwanderer gewürdigt wird.

    Betreffend dem Fusionsangebot von Bern 1929: Nachdem in Köniz 1920 gerade erst ein Parlament geschaffen wurde, wäre es schon erstaunlich gewesen, wenn sich dieses so rasch wieder hätte abschaffen wollen. Der Entscheid selbständig zu bleiben hat aber sicher auch damit zu tun, dass die “Obere Gemeinde”, dass heisst die stadtfernen Dörfer früher einwohnermässig bedeutender waren, als die stadtnahen Quartiere.

    Betreffend der Senkung der Steueranlage:
    Bei der Senkung des Steueranlage geht es höchstens am Rand um den Standortwettbewerb. (Die Informationen auf der Internetseite von Köniz wurden zum Beispiel noch nicht aktualisiert). Nachdem Köniz jahrelang die gleiche Steueranlage wie Bern hatte, konnte der frühere Bilanzfehlbetrag erst in jüngster Zeit dank höheren Steuereinnahmen abgetragen werden. Bei der dazu nötigen Erhöhung der Steueranlage wurde der Bevölkerung aber auch versprochen, diese wieder zu senken, sobald die Gemeinde wieder über eine ausreichende Eigenkapitalreserve verfügt. Dies war jetzt der Fall, weshalb die Steueranlage gesenkt werden konnte.
    Ein Grund für die höheren Steuereinnahmen bei den juristischen Personen ist vermutlich der Zuzug von Swisscom ins Liebefeld. Dieser hat auch damit zu tun, dass auf Stadt-Berner Boden kein geeignetes, gleich gut erschlossenes Grundstück vorhanden war, was unter anderem mit der Ablehnung der ersten Variante von Tram Bern West zu tun hatte, wenn ich mich recht erinnere.

  2. hej harald,

    danke für die ausführungen. frage: gibt es zu der entscheidung von 1929 eine darstellung, die man greifen kann?

    eine frage habe ich dennoch: auf dem stadtplan vor dem bahnhof ist die gemeinde köniz ja ausfürhlich abgebildet. aber nicht die ganze: ober- und niederwangen sind abgeschnitten, ebenso niederscherli. gab es da noch nie reklamationen? – ich habe noch nie eine gemeindekarte gesehen, auf der nicht das ganze – bewohnte – gebiet drauf ist.

    städtewanderer

  3. Hej Städtewanderer

    Spontan kenne ich keine greifbare Quelle, aber ich schau mal zu Hause, ob ich was finde.

    Dann habe ich noch eine Bemerkung zum 1. Abschnitt. Meiner Meinung hat Köniz nicht die Grösse von gut einem Viertel sondern von knapp einem Drittel von Bern. 😉

    Gruss, Harald

  4. Von Bümpliz(Gemeinde Bern)kommend bin ich während Jahren in der Gemeinde Köniz aufgewachsen. In Gasel (in einem stadtfernen Dorf mit dem Weiler Mengesdorf als Standort des Schulhauses)und im Spiegel (in eimen stadtnahem Quartier am Berner Hausberg, dem Gurten).
    Heute wohnen meine Eltern immer noch in der Gemeinden Köniz in Wabern (in einem stadtnahen Quartier) während ich und meine Familie, nach einem Aufenthalt in der Gemeinde Ostermundigen, nunmehr in der Gemeinde Wohlen wohnen.

    Auch mein Bruder wohnt (von Bremgarten und Bern kommend) mit seiner Familie seit kurzem in Wohlen. Meine Schwester wohnt demgegenüber in der Stadt Bern, währenddem meine Schwiegereltern in Bremgarten ihr Domizil haben.

    Was uns allen gemeinsam ist: Wir fühlen und als städtisch orientierte Bernerinnen und Berner (mit durchaus unterschiedlichen politischen Auffassungen) und sind, sowohl was die Arbeit als auch die Freizeit betrifft, in der (grenzenlosen) Stadtregion Bern verwurzelt. Die Gemeindegrenzen empfinden wir als unnöig und hinderlich.

  5. Der Titel ist ein bisschen despektierlich gewählt. Bald schon steht, die “Gott-vergessene Stadt”!

  6. ach was, das war doch gar nicht gemeint. köniz als stadt geht einfach häufig vergessen.
    das hat vor allem damit zu tun, dass es in vielem den ländlich-dörflichen charakter bewahrt hat, und ihm das urban-städtische immer noch etwas abgeht.
    gerade deshalb ist der zitierte vergleich, werter heinz, falsch. gott und göttin haben köniz sicher nicht vergessen.

  7. Betreffend den Diskussionen zur Fusion 1929 habe ich meinen Büchern zur Könizer Ortsgeschichte nichts gefunden. Es gibt aber dazu einen interessanten Abschnitt von Emil Erne im Buch “Bern – die Geschichte der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert”. Demnach wollte Bern nur die stadtnahnen Quatiere von Köniz, an armen Gemeinden (zum Beispiel Bremgarten oder Ostermundigen) und Quartieren war Bern nicht interessiert. Die Stadt Bern schien sich vor einem Gross-Bern ähnlich wie Zürich sogar gefürchtet zu haben. Zu einem frühen Zeitpunkt hat es eine Offerte der Schulgemeinde Wabern abgewiesen. Schon damals war das ganze ein langjähriger Prozess unter Mitwirkung des Kantons. Als Quellen werden im Buch nur Publikationen zu anderen Gemeinden nicht zu Köniz selber genannt. Was Köniz betrifft, müsste wohl in den Protokollen der Parlamentssitzungen nachgeschaut werden.

  8. herzlichen dank, die stelle bei erne kannte ich.
    wenn du mal zeit hast, wären die protokoll interessant, es ist aber sicher mit aufwand verbunden.
    wenn du was herausfindest, dann könnte man hier ja spezielle blogs (bei dir oder mir) machen.
    grüsse nach köniz!

  9. Die Aussage, dass Köniz die grösste Agglomerationsgemeinde der Schweiz sei, trifft nur zu, wenn man unter “Agglomeration” nur die suburbanen Vorstadtgemeinden versteht. Nach Definition des gfs, pardon, BFS umfassen Agglomeration auch die Gemeinden der Kernzonen.

    Damit ist der Klugscheisserei genüge getan.

    Grüsse aus Bümpliz.

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