leben und sterben in der anomie

es ist kein einfaches, aber ein nötiges thema, denn nirgendwo in der schweiz begehen so viele menschen wie in bern brückensuizid. ein hoffentlich weiterführender gedanke zur problemtik, die am gestrigen weltsuizidpräventionstag aufwühlte.

topelement14
“baut netze”, lautete die botschaft gestern unter der kirchenfeldbrücke um suizidsprünge zu vermeiden. die aufforderung kann konkret, aber auch im übertragenen sinne verstanden werden.

eine gestern veröffentlichte studie der universitären psychiatrischen dienste siehe die kirchenfeld- und kornhausbrücke als die exponiertesten orte an der aare. pünktlich zu weltsuizidpräventionstag versammelten sich schülerInnen des gymnasiums kirchenfeld auf dem sportplatz schwellenmätteli, um auf die problematik aufmerksam zu machen.

fast schon selberredend weckt das den soziologen in mir, der früh in seinem studium in zürich darauf hingewiesen wurde, dass der selbstmord eine innere und äussere begründung habe. die äussere hat als erster der berühmte französische soziologe emile durkheim untersucht. er kam zum schluss, dass es verschiedene konstellationen für verschiedene ursachen von suiziden gibt, für den egoistischen, den altruistischen, den fatalistischen und den anomischen selbstmord.

seither hat mich der anomische speziell interessiert. denn der begriff der anomie wird als zerfall der gesellschaftlichen ordnung definiert. allgemein gültige regeln verschwinden, soziale normen schwächen sich ab. es schwindet der gesellschaftlichen konsens. gemeinsame ziele gibt es nicht mehr, und auch die mittel zu deren erreichung werden nicht mehr in gleicher weise gebilligt oder missbilligt.

die soziologie hat sich dabei mit verschiedenen phänomen beschäftigt: mit der tendenz nach konformität, mit der innovation des kulturellen lebens, mit dem zwang zum ritual und mit dem aufbrechen der rebellion.

aber auch mit der resignation, die sich im zustand der unübersichtlich gewordenen (un)ordnung in form von angst soweit ausbreitet, bis sie in den suizid führt. dass das nicht geschieht, ist die aufgabe der gesellschaft, die hierfür netze bauen muss.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

Ein Gedanke zu „leben und sterben in der anomie“

  1. Wenn z.B. im Kanton Bern konstruktive “Netze” je wirklich interessiert hätten, dann wären Typen wie Werner K. Strik von der Waldau längstens arbeitslos.-

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