alter ego

das andere ich in sich erfährt man erst, wenn man seine normale umgebung verlässt.

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nein, nein, zum ralleyfahren bin ich in schweden nicht geworden, zum autofahrer aber schon (foto: stadtwanderer) 

nach schweden zu gehen, ist zu allererst eine kulturelle erfahrung. man wechselt ja nicht von einer gewohnten in eine ungewohnte umgebung. das ginge ja noch, zumal in vielen teilen der schweizerischen wie auch der schwedischen kultur germanische elemente spuerbar sind. nach schweden aufs land zu gehen, ist vor allem ein gewaltiger zeitsprung, quasi eine reise in die anfänge der zivilisation.

die ersten 10 tage in den ferien sind der desozialisation gewidmet: man vergisst die erwartungen der gesellschaft sehr schnell, setzt sich selber normen, und vor allem sucht man seinen eigenen, natuerlichen rhythmus. du schläfst solange es nötig ist, du isst dann, wenn du hunger hast, und du sprichst nur dann, wenn es leute hat. und das ist eher selten.
also ist man, ohne narzistisch zu sein, stark auf sich konzentriert.

doch nicht nur das “ego” interessiert. man entdeckt so sein alter ego, das andere ich, das im sog. normalfall kaum platz hat, verdraengt wird oder abgespalten von einem weiter lebt!

meine diesjährige erfahrung mit dem alter ego betrifft das autofahren. in der schweiz bin ich fast 30 jahre nicht mehr hinter dem steuerrad gesessen. meine vagen erinnerungen reichen in die späten 70er des 20. jahrhunderts im vorringen jahrtausend zurueck …
selber habe ich mir immer eingeredet, ich könne das nicht (mehr), schlafe viel zu einfach ein, um auto zu fahren, das sei zu gefährlich, und natuerlich verschmutze man dabei die umwelt unnötig.

hier, wo die distanzen ganz anders und die angebote des oeffentlichen verkehrs auf dem lande unvergleichlich schlechter sind, muss man sich fast zwangsläufig umbesinnen. man hat letztlich keine frei wahl!

und siehe da: nun sitze ich wieder im auto, drehe den zuendschluessel, lege gänge ein, gebe gas und rudere mit dem steuerrad durch die gegend, wie wenn nie etwas dazwischen gewesen wäre …

ach, selbstverständlich bin nicht ich das, der auto fährt, sondern mein alter ego!

hej då

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

11 Gedanken zu „alter ego“

  1. danke das du uns blogger teilhaben läst an deinen erfahrungen in schweden!!
    scheinst da zumindest auch internetanschluss zu haben weiss natürlich nicht wie gut der zugang ist, aber es freut mich immer von dir zu lesen!!

  2. lieber stadtwanderer

    weisst Du an was mich Deine geschichte erinnert?
    hilflosenentschädigung der AHV oder der IV.
    komisch oder 🙂

    also stell Dir vor, Du währst ohne automobil in schweden. also, wie lange würdest Du zum nächsten dorf oder städtchen brauchen? ich denke entweder würdest Du die ganze zeit gehen oder wandern (nicht stadtwandern), oder Du würdest zu “hause” bleiben. in der AHV oder in der IV währst Du dann nicht mehr sozialisierungsfähig, einer der Punkte für hilflosenentschädigungen. ohne invalidität, währst Du darauf angewiesen, dass man Dich besucht. das gibt mir zu denken und als ich heute mittag Dein block gelesen habe, so musste ich gleich einen freund anrufen den ich dann heute noch besucht habe.

    bin ich nicht ein komischer vogel 😉

  3. heia sveridge-wanderer im outback

    der mangel am faktor zeit ist wohl einer der hauptgründe, weshalb sich der mensch in der hektik des alltagsbetriebes als be-fremd-lich erlebt. in der fremde, wo zeit zur selbstreflexion reichlicher vorhanden ist, wird mann/frau seiner selbst, seinem spiegelbild in sich, selbst wenn es verzerrt ist, intensiver gewahr.

    „cicero hat mit dem begriff „alter idem“ sein verhältnis zu einem freund beschrieben“ (quelle wiki).

    in sich, in sein „gegenüber“ rein zu blicken, kann viel verdrängtes ins bewusstsein zurückholen, verloren geglaubte fähigkeiten, beziehungserlebnisse zwischen freude und trauer, tiefangelegte ressourcen im talentschuppen, möglichkeiten zur psychisch-physischen selbstregulation u.a.m. der fundus ist enorm und letztlich eine begegnung mit dem metaphysischen, wo freunde warten und einem mit der zeit vertraut werden wie das eigene ich.

    ade und bis bald wieder.

    walko

  4. hej mischa
    hilflos tönt krass, ist aber nicht unzutreffen.
    ohne auto blieben uns ueber kurz oder lang nur heidelbeeren und seewasser. so ist das! zu fuss einkaufen ist schon mal 50 km hin und zurueck. das ist auch fuer den stadtwanderer (zu) viel!
    natuerlich hat es noch nachbarn, nebenan, vis-a-vis, und in 7 resp. 10 kilometer entfernung. doch stellte sich die gleiche frage nach dem fahrzeug.
    bliebe also nur noch autostopp. 3 bis 4 autos fahren bei uns pro tag vorbei. normalerweise denke ich, viel verkehr heute. werde mir das aber noch ein wenig kritisch durch den kopf gehen lassen …

  5. hej walko
    metaphysik in der pampa, eine neue disziplin …
    tönt auf jeden fall spannend, und passt zur ethnomathematik, die ich gerade lese.
    ich werde aber darueber berichten!

  6. hej stadtwanderer
    zur erhellung meiner „metaphysischen“ gedankenwelt hier ein zitat vom physiker hans-peter dürr:
    „physik und transzendenz bezeichnen nur verschiedene bereiche der einen wirklichkeit, die von einer untersten schicht, wo wir noch vollständig objektivieren können, bis zu einer obersten schicht reichen, „in der sich der blick öffnet für die teile der welt, über die nur im gleichnis gesprochen werden kann.“ aus „physik und transzendenz“, s. 19, scherz-verlag bern

    bis auf ein nächstes wiederlesen
    walko

  7. @ stadtwanderer und @ walko

    also sprecht ihr eigentlich vomselben. die endlichkeit 🙂 ohne auto ist es unendlich weit zum einkaufen und mit endlich. also, könnten wir kein gleichniss aufstellen zwischen; mit auto in schweden oder ohne in der schweiz. nun könnte man beide (agregats) zustände optimieren 😕 sonst noch fragen? 🙂 ich wünsche euch eine treffende antwort auf alles….

    apropos stadwanderer, ich war in wetter, bei meiner schwester und da war zur selben zeit ein mittelaltertreffen, sehr interessant. geniales dorf mit über fünfhundert bewohnern und alle in original. war schön.

  8. @ Mischa

    der stadtwanderer hat über das “andere ich” oder “alter ego” geschrieben und dazu habe ich einige überlegungen angehängt.

    wie endlich eine autofahrt zum einkaufen oder anderen zwecken empfunden wird, ist wohl eine frage der zeit, die mann/frau dafür aufwenden will.
    was “unendlich” oder vielleicht “ewig” dauert, wäre demzufolge mit der Endlichkeit zu erklären.

    gruss aus dem seeland

    walko

  9. @Walko

    Ich lese jeweils ihre Kommentare(die leider immer nur an den Stadwanderer gerichtet sind, von Herzen gerne) Ich mag ihre Wortspiele, die Sätze die scheinbar in sich selbst verschmelzen. Darum möchte ich mich bei Ihnen speziell für den letzten Absatz des Kommentars den Sie an Mischa richteten bedanken.

  10. @ walko

    hänge mich dem kompliment von ate an. sehr schön formuliert.

    kennst das buch “der blinde uhrmacher” von richard dawkins im dtv verlag. es ist ein plädoyer für den darwinismus. beim lesen muss man/frau sich unweigerlich über seine eigene existenz gedanken machen.

    ich wünsche allen einen schönen hitzigen tag, wir gehen in den ballenberg 🙂

  11. @ Ate

    die nette rückmeldung freut mich und gelesen zu werden, ermuntert weiter zu schreiben.

    hingegen, was als spiel mit worten empfunden wird, ist auch mal ein gedankenknäuel, der zu ordnen zeit und aufwand bedingt.

    die anregung, hin und wieder mit den bloggerinnen im blog zu bloggen, habe ich mir gemerkt.

    herzlichen dank, auch @ Mischa

    stephen hawkings hab ich gelesen und andere hypothesen mehr, woher unser dasein seinen ursprung haben könnte.
    nur die fragen, wer mit dem “fressen” des anderen begonnen hat und warum, sind damit nicht beantwortet.
    die konflikte in uns und mit anderen drängen zu fragestellungen, die die bedingungen unserer lebensmöglichkeiten ausleuchten und dafür ist mir ein “big bang” als lösungsansatz, sorry, etwas zu simpel.

    jedenfalls dein existenz-gedanke ist es wert, vertieft betrachtet zu werden.

    mhg walko

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