fan-post als  1.-august-gedanke

da kommt man aus den ferien zurück, pünklich zum 1. august, und denkt sich, was beschreib ich da nur: rückkehrgefühle? individualismus? patriotismus? verlogenheit? swissness? heimatliebe? egoismus? die schweiz im zeitalter des globalismus? des nationalkonservatismus? neuer rütli-geist? oder nachtrag zum berner open-air-festival?

ich merkte, wie ich ratlos blieb.

da habe ich mich daran gemacht, die fan-post zum stadtwanderer zu lesen, die nicht über die rubrik “comments” kam, sondern über das mail. denn das habe ich während meinen ferien nicht abgerufen.

und siehe da!

die bemerkenswertes post auf diesem wege kam von conrad, einem man den ich nicht kenne, und der sich auch nicht gross zu erkennen gab. aber er entdeckte während meinen ferien den stadtwanderer, und hat ihn toll zusammengefasst.

* * *

“lieber routengänger

ich habe ihren blog soeben entdeckt. bin so begeistert, dass ich von ihrer weise, ohne grossbuchstaben zu schreiben, angesteckt wurde.

endlich einer der die sachen mit derselben historischen perspektive der
unterirdischen tiefen gewässer sieht wie ich.

ich dachte: ich sehe, was niemand sieht. und: vielleicht habe ich eine sehstörung oder alle sind blind, da sie nicht das sehen was ich sehe.


das europa der regionen nimmt langsam wieder konturen an, ohne die gewohnten grenzen und einheiten ganz zu zerstören

wie sie, sehe ich die schweiz als erbin des hochmittelalters und
einzigartige syntonie von

hoch-alemanien und
hoch-burgund.

dazu füge ich
auch – vielleicht haben sie die tendenz, es zu übersehen – dass dem knoten
auch ein

lombardischer teil

angehört. sie bestätigen zumindest meine
theorie, dass bern bewusst die fortführerin der burgunderpolitik ihrer
zähringergründergründer gewesen ist.

in einem postnationalen europa fühle ich – ich fühle es in meinen knochen -,dass vornationalen realitäten, wie etwa alemanien, burgund und lombardei
wieder erwachen möchten und könnten – und vielleicht sogar werden.

ich denke: die schweiz könnte dabei wie die hefe im teig wirken.

ich hoffe einfach, dass sie sich dabei nicht auflöst, wegen hegemonialansprüche der anhänger europas als neuer grossmacht.

auf das fortsetzen der tradition des selfgovernments, das in unserem land
ihre anfänge hatte, sollen wir deshalb sorgfältig achten.

die neugeburt lange unterdrückter politischen und kulturellen realitäten
offenbart sich in allerlei hinsicht, zum beispiel in ihrem blog. auch wird es sich in verschiedenen nachbachländer der schweiz offenbaren:

in der freien gradfschat,
im sundgau,
im vorarlberg,
in der “padania”,
in savoyen, und sogar
in der provence.

ohne es zu wissen, wird man sich an das wirken der
burgundischen welfen erinnern und an den burchardiner… und anderer, um
in die zukunft einzutreten!

zwar sind nationalismus, risorgimentismus, jacobinismus und so weiter noch stark, – aber in einer welt des wandels “le mouvement fait bouger les lignes”. eine neue und zugleich alte, andere welt erwacht aus dem dornröschenschlaf.

ich weiss nicht wer sie sind, hoffe aber, dass die gelegenheit sich ergibt, sie mal persönlich kennen zu lernen.

conrad”

* * *

lieber conrad,

ich danke dir! du hast den stadtwanderer treffend zusammengefasst. es freut mich, gerade zum 1. august, eine solche würdigung zu erhalten.

eine differenz, glaub ich, habe wir aber: ich sehe, bei der kultuellen vielfalt von europa, die unverändert lebt, auch die vorteile der staatlichen kooperationen. die europäische union ist in europa, das sich im 17. und im 20. jahrhundert auf schrecklichste art und weise selber zerfleischt hat, ein gegengewicht zu religösem fanatismus resp. zu ideologischer borniertheit. und ich sehe in den, unter sich verbundenen nationalstaaten einen vernünftigen kompromiss, um fragen wie etwa die der sozialen sicherheit werden paternalistisch noch internationalstisch zu lösen.

anders als die reine globalisierungslehre nehme ich, wie du offenbar auch, europa nicht als reines marktprojekt wahr, das ohne jegliche kulturelle identitäten funktionieren würde. diese sind es gerade, die europa, die schweiz und bern ausmachen. ihre wurzeln zu suchen und ihre weiterentwicklungen in die gegenwart zu verfolgen, ist mir mit dem stadtwanderer ans herz gewachsen!

stadtwanderer

ps:
etwas mehr über meine person erfahren sie unter der rubrik mein leben resp. via wikipedia

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

3 Gedanken zu „fan-post als  1.-august-gedanke“

  1. Der Röstigraben wird gemeinhin als sprach- und mentalitätsgrenze verstanden, welche lebensansichten und befindlichkeiten der deutschsprachigen schweiz von denjenigen der französischsprachigen trennt. Er verläuft irgendwo zwischen bern und fribourg, gefunden hat ihn allerdings noch niemand. Was häufig vergessen wird, ist der umstand, dass die sprachenvielfalt ein wesensmerkmal unserer gemeinsamen Geschichte ist und hier setzt ja auch der Stadwanderer an. Er ist ein ausdruck kulturelle vielfalt und keinesfalls der ausgrenzung. Ich komme gerade zurück aus dem neusten Eu-Land, Rumänien, und hier nur ein kleines beispiel zu was ausgrenzung führen kann. Ganz im norden Rumäniens, hinter er den sieben bergen an der gernze zur urkaine liegt die 17\\\\\\\’000 seelen kleinstadt Viseu de Sus. Viseu hiess früher auch \\\\\\\"Ojberwischo\\\\\\\", denn bis zum 2. Weltkrieg waren gut die hälfte der bewohner juden, welche dorthin geflüchtet waren. Daneben leben (gegenwärtig noch rund 800, früher wesentlich mehr) deutsch sprechende Zipser, deren vorfahren meist besitzlose handwerker aus Oberösterreich und aus der gegend um Zips (Slowakei) waren, im ort. 1944 wurde die gesamte jüdische bevölkerung nach auschwitz deportiert. Die wenigen überlebenden emigrierten nach Israel. 1998 starb mit dem völlig verarmten schafhirten Mendel Friedmann, der lezte jude von viseu. Nicht zuletzt dank dem interesse aus und an europa ist es nun möglich, dieses düstere kapitel auch hinter den sieben bergen aufzuarbeiten und der region (auch seiner deutsch sprechenden minderheit) wieder eine perspektive zu geben. Europa ist eben nicht nur ein marktobjekt sondern hat sehr viel mit kultureller idendität und vielfalt zu tun, drum aufgepasst mit deren verteufelung. Für mich ist europa nicht ausgrenzung sonderen vielfalt – auch basierend auf staatlichen (und anderen) kooperationen.

  2. röschtigraber? – ein schöner neuer name. und ich glaube sogar zu wissen, wem er gehören könnnte: schöne grüsse ins nachbarquartier von hinterkappelens aumatte 1 …

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