Berns Migrationsgeschichte(n) (4): das Asyl der Hugenotten

Die Hugenotten waren zwar auch reformiert, aber eben anders als die orthodoxen Berner. Nach 8 Jahren der Gastfreundschaft werden viele von ihnen ausgewiesen. Zum Teil zum Vorteil der Untertanen, die sie aufnehmen mussten.

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Franzosenkirche Bern

Der Gebäudeteil, in dem wir uns befinden, ist der älteste noch bestehende Steinbau Berns. Er stammt aus dem beginnenden 14. Jahrhundert. Ursprünglich war das die Kirche des Dominikanerklosters, gestiftet zu Zeiten der savoyischen Stadtherrschaft. Heute heisst die Kirche Franzosenkirche, denn sie wurden nach einer Umnutzung im Gefolge der Reformation ab dem 17. Jahrhundert zur Kirche der Hugenotten.

Ohne die Definition staatlicher Herrschaft im modernen Sinnen, gibt es auch keine Grenzen. Deshalb gibt es auch fast kein örtlich gebundenes Recht. Dieses etablierte sich ausgehend von den Städten und löste das mittelalterliche Feudalrecht ab, wonach man einem Herrn gehörte, wo auch immer man war. Der Begriff des Flüchtlings hängt eng damit zusammen. Denn erst mit der Flucht aus einem Gebiet mit eigenem Recht in das Gebiet mit anderem Recht macht die Bezeichnung überhaupt Sinn.

Ihre rechtliche Autonomie erreichte die Stadt Bern 1499, jene der Eidgenossenschaft wurde 1648 im westfälischen Frieden definitiv gewährleistet. Die erste grosse Flüchtlingsbewegung, welche die Eidgenossenschaft erreicht, datiert aus dem Jahr 1685. Ausgelöst wurde sie durch die Kündigung des Edikts von Nantes, das die Reformierten in Frankreich den Katholiken gleichstellt hatte. In der Folge bewegten sie die Hugenotten über Genf auf das Gebiet der Eidgenossenschaft zu. 60’000 der 150’000 Flüchtenden durchquerten das Land. 20’000 liessen sich hier nieder. Nötig war hierfür ein gemeinsamer Plan der Eidgenossenschaft. Die katholischen Orte weigerten sich, Flüchtlinge einer anderen Konfession aufzunehmen. So teilten sich Bern, Zürich, Basel und Schaffhausen in die Aufgabe. Bern gab dabei die Merkel und übernahm die Hälfte der Flüchtlinge.

Für die Stadt bedeutete dies zuerst eine Kulturbereicherungen. Jetzt lernten die Berner französisch; später sollte dies gar zum Abgrenzungsmerkmal werden, denn die Patrizier zeichneten sich im 18. Jahrhundert unter anderem dadurch aus, dass sie untereinander französisch parlierten, was das gemeine Volks nicht verstand. Bei der religiösen Kulturbegegnung scheiterte man dagegen. Denn die Berner waren ausgesprochen orthodox- reformiert, ganz anders als die Hugenotten. Deshalb bekamen sie ein eigenes Kirchengebäude. Ueberhaupt, der Habitus blieb verschieden. Die Berner Patrizier zelebrierten auf ihren Campagnen ihre Landlust, derweil die Hugenotten zu geschäftstüchtigen Fabrikanten waren.

Nach nur 8 Jahren kam die Aufnahmebereitschaft in der reformierten Eidgenossenschaft zum erliegen. Zwei Drittel der Hugenotten wurden bis 1699 ausgeschafft – entweder in den Norden nach Preussen oder Skandinavien, oder aber in die Untertanengebiete. Viele der Berner Hugenotten gingen damals in die Waadt, wo sie sich als Gewerbetreibende und Industrielle hervortaten, und so eine Basis dafür schafften, dass sich nach der französischen Revolution die Untertanengebiete gegen das alte Bern erhob.

Heute sind die Hugenotten in der Schweiz kaum mehr von den reformierten unterscheidbar. Fast niemand nahm Notiz, dass mit Adolph Ogi erstmals ein Bundesrat aus einer hugenottischen Familie in die Landesregierung gewählt wurde. Hätte er es mir nicht selber erzählt, wäre es mir auch entgangen.

Der Einwanderung im 17. Jahrhundert steht 18. Jahrhundert auch eine Auswanderung gegenüber. Amerika wurde zum grossen Ziel. New Berne entsteht in North Carolina. Pepsi-Cola sollte daselbst begründet werden. Und Laura Bush ist eine späte Nachfahrin der ausgewanderten von Graffenrieds. Viele der Berner Auswanderer waren sind nicht nur politisch konservativ, sie blieben es auch kulturell. Denn unter den Migranten die Bern verliessen befanden sich viele mit streng orthodoxem protestantischem Glaube, der in der Heimat zusehends kritisiert wurde. Um weitere Auswanderer aus Not zu verhindern, schafft man nun Kornhäuser, Vorratskammer für Getreide, das man den Treuen ganz im paternalistischen Stil abgab.

Stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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