die illusion der geschichte beim wandern in cudrefin

vor uns wellt der neuenburgersee, hinter uns läuft der mont vully aus. dazwischen liegt das stsädtchen cudrefin. ein wanderungsbericht mit geschichten aus dem ort, dem hause savoyen und der familie longchamp.

800px-Cudrefincudrefin von montet aus, mit neuenburg im hintergrund.

mit der juragewässer- korrektur im 19. jahrhundert verkleinerte sich der neuenburgersee. seither hat es zwischen dem landstädtchen cudrefin und dem seeufer platz für einen hafen mit zahlreichen segelschiffen, ein strandbad mit ausgedehntem schilf und ein restaurant, baywatch genannt, sodass an einem warmen sommertag wie heute ferienstimmung aufkommt.

4000 bis 5000 campingleute zählt cudrefin während des sommers. ihnen stehen knapp 1200 ortsansässige gegenüber. die meisten von ihnen sind französischsprachig, eine minderheit spricht deutsch, und die kolonie aus portugal ist die dritte sprachgemeinschaft im waadtländischen landstädchen.

letzter höhepunkt in der stadtgeschichte war die versammlung schweizer diplomaten am ort. 1997 war das, unter der leitung von bundesrat jean-pascal delamuraz. der platz vor der stadt trägt seither seinen namen.

eigentlicher stadtherr ist peter von savoyen. 1246 erwarb der spätere graf den platz vom bischof in sitten, der ihn 999 aus der hand des burgundischen königs geschenkt bekommen hatte. vermutlich war er damals schon besiedelt, aber nicht befestigt.

der drang nach norden steckte im savoyer. nach dem aussterben der zähringer übernahmen seine vorfahren moudon, später wurde peter herr von romont und payerne. die natürliche fortsetzung des weges über avenches und morat blieb ihm indes versperrt, nicht zuletzt weil die orte zum bischof in lausanne und zum kaiser im reich hielten. so wählte peter den pfad über cudrefin, um bei oltingen über die aare ins mittelland vorstossen zu können. das war nicht ohne, peter war ja eine weile schutzherr von bern.

die grossen gegenspieler der savoyer, die habsburger, seit 1273 deutsche könige und förderer von lausanne, kannten, wie schon hundert jahre zuvor die zähringer, den umgekehrten drang nach süden. so kam man sich regelmässig in die quere.
1283 eroberten die habsburger murten, dann payerne und behielten beide orte bis zum tod von rudolf I. erst danach gelang den savoyern der direkte durchstoss nach norden; murten, den entscheidenden platz, nahmen sie 1310 ein und behielten es bis zu den burgunderkriegen.

cudrefin verlor in dieser zeit an herrschaftlicher bedeutung. der graf von grandson, auf der anderen seeseite im süden gelegen, übernahm die verwaltung der stadt. 1393 kam es zum aufstand gegen ihn und zum gottesurteil durch adelskampf. die aufständischen unterlagen; das städtchen cudrefin, das zu den oppositionellen hielt, wurde erstmals zerstört.

von der viereckigen gründungsstadt sieht man bei einer heutigen wanderung kaum mehr etwas. was im 14. jahrhundert überlebte, wurde 1475 bei der freiburgischen besetzung zerstört, und was man danach noch hatte, legte ein stadtbrand im bernischen provinzstädtchen im zeichen der revolutionäre aufstände 1790 in schutt und asche. den schlusspunkt unter die stadtzerstörungen setzen die bürger von cudrefin selber, als sie 1839 die beiden grossen wehrtürme und die stadtmauern abtrugen, und das heutige hotel de ville bauten. übrig geblieben aus früheren zeiten ist der gerechtigkeitsbrunnen aus den zeiten, als man in der gegend bernische untertanen war. und ein turm aus savoyischen zeiten, der zum kirchturm mutierte, ziert den ort.

erlebbare geschichte ist im landstädtchen an den gestaden des neuenburgersee jedoch zur weitgehenden illusion geworden.

schön ist die aussicht von montet aus, wo die heute reformierte kirche von saint theodul steht, die an den patron der wanderer, christen und weintrinker aus dem wallis erinnert. im frühling 1957 arbeitete mein vater da, als ihn die nachricht erreichte, er müsse sofort nach hause, denn es stehe nachwuchs im hause longchamp an – worauf ich das licht dieser welt erblickte …

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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