kurt imhof über qualität in der öffentlichkeit

man erinnert sich: kurt imhof, der soziologieprofessor an der universität zürich, bewies einmal mehr seine ausserordentliche interventionsgabe, als er – instant-mässig – die aufkommende botellones in einem interview für den tagesanzeiger prominent wie kein anderer analysierte, und damit der ganzen bewegung einen bisher nicht erwarteten dreh gab. das problem seien weniger die die massenbesäufnisse, sondern der umgang mit ihnen in der mediengesellschaft, war seine these.

ich habe kurt jüngst in zürich getroffen, und wir haben über den stadtwanderer, meinen artikel zu den botellones, und die nutzungsziffern gesprochen, die dank der diskussion seines interview kurzfristig stiegen. er hat in der folge den “stadtwanderer” den er nicht kannte, besucht, und mir dann, nach der sonntäglichen einkehr folgende anregung zum zusammenspiel von medien und politik und die frage, wie dabei die qualiltät in der öffentlichkeit gewahrt werden könne, geschickt. zwar kein direktes wanderer-thema, aber eines, das aus den diskussion über den stadtwanderer entstanden ist.

“Geniale Seite! Eine richtige Ideen- und Wissensgrube. Erstaunlich wie die Leute reagieren und Anregungen geben.

Ausserdem: Bin über das Wochenende kurz in mich gegangen (immer gefährlich), um nachher sofort eine Flasche aufzumachen. Mich ärgert diese universitäre Sozialwissenschaft.

Kaum einer wagt sich zu exponieren. Die Intervention, die eine Koproduktion mit Constantin Seibt war, geschah (bei gutem Wein und experimentierfahrlässig) vor dem Hintergrund der Erfahrungen von
2007 als die unheilige Allianz medienpopulistischer Eventberichterstattung über Seebach etc. mit dem politischen Populismus der SVP bez. ausländischer Jugendkriminalität dieses Jugendzerrbild hervorbrachte, das sich dann so dominant im ‘Sorgenbarometer’ vom August 2007 spiegelte und mithalf die 29,4% SVP-Stimmen herbeizuzaubern. Ich vermutete und vermute mit Harmos dasselbe Szenario (wenn auch kaum mit demselben Erfolg).

Nach dieser Provokation war ich schwitzend und stinkend darauf angewiesen, dass die leichgerichteten Nachrichtenwertfetischisten auch wirklich gleichgerichtet reagieren, damit ich die elektronischen Foren hatte, um dem Zerrbild entgegenzutreten. Die ganze Chose hätten auch hintenraus gehen können.

Was mich ärgert: Man hört nix, von den Kommunikationswissenschaftlern, nix von den universitären Politikfritzen, nix von den Pädagogen, nix vom Rest der universitären Soziologie. Die Kritik am Zusammenspiel von Politik und Medien bleibt in der politischen Öffentlichkeit weitgehend unterbelichtet.

Versuche nun eine Stiftung Öffentlichkeit und Qualität hochzuziehen um die Mittelbeschaffung zu vereinfachen.

Herzlich

Kurt (Imhof)”

nun seid ihr, meine lieben leser- und kommentatorInnen, gefragt, euch zur these des genialen interventionisten wider den zeitgeist zu äussern.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

33 Gedanken zu „kurt imhof über qualität in der öffentlichkeit“

  1. kurt imhof hat weitgehend recht. die öffentlichkeit funktioniert heute schlecht. eine heute veröffentlichte studie zeigt, dass im parlament nicht mehr verhandelt wird. dafür wird gegeneinander stellung bezogen. damit ist der wichtigste ort der politischen öffentlichkeit zur bühne für medienauftritte verkommen. die medien ihrerseits kennen nur noch das lemming-verhalten. sie schwimmen ein wenig gegen den selbst bezeichneten strom. eigene recherchen sind out. geschichten, die sich aus geschichten der anderen medien ergeben, sind heute angesagt. leider sind schliesslich auch personen mit zivilcourage, mut und standfestigkeit selten, die sich mit eigenen überlegungen zu wort melden, eine diskussion anschieben können und so für ein wenig pluralismus in der öffentlichen diskussion sorgen. (davon ausgenommen sind selbstredend einige blogs, blogger und ihre stammkundschaft).
    was mich aber stört, ist die kritik des professors an seiner gilde. das hat man natürlich gern, und wird “applaus-applaus” schreien, aber sie wirkt nicht so glaubwürdig, solange imhof die universität nicht verlässt.

  2. so genau scheint es der professor nicht zu nehmen, die svp kam bei den wahlen vor einem jahr auf 28,9 prozent, nicht auf 29,4. sie selber rundet das ergebnis ja gerne auf (“30 prozent darf man nicht ausschliessen”), und hat damit selbst bei gebildeten eine wirkung!!!

  3. lieber titus
    zu recht fragst zu nach, was mit politischer öffentlichkeit gemeint ist. hier ein definitionsversuch
    der begriff entwickelt ist im gegensatz zum königlichen hof, der vor allem im gefolge der aufklärung unter die kritik kam, wegen einem mangel an öffentlichkeit beispielsweise im rechtswesen oder im finanzbereich umstrittene entscheidungen zum nachteil der untertanen und zum vorteil der entscheidenden zu treffen. sie wurden als entscheidung im sinne der staatsraison gerechtfertig, konnten aber nicht frei diskutiert werden.
    meinungen, die im nicht-privaten, also beobachtbaren raum, meist kritisch über den königlichen hof geäussert wurden, bilden demnach den anfang der politischen öffentlichkeit, die sich als öffentliche meinung zensierend gegen die absolutistische macht wendet.
    ausdruck fand und findet die politische öffentlichkeit in zeitungen, heute generell in massenmedien, die der freien meinungsäusserung und damit der suche nach wahrheit in politischen fragen verpflichtet sind. institutionalisiert wird die politische öffentlichkeit unter demokratischen bedingungen im parlament, das die politsichen geschäfte öffentlich debattiert und darüber beobachtbar entscheidet.
    wer sich, meist in massenmedien, aber nicht nur, daran beteiligt, gehört, würde ich mal einfach zusammenfassen, zur aktuellen politischen öffentlichkeit. kurt würde sicher beifügen: wer sich, meist in massenmedien, aber nicht nur, daran beteiligen sollte, und es nicht tut, gehört zur denkbaren und notwendigen politischen öffentlichkeit. dabei insistiert er vor allem auf die rolle der intellektuellen in der politischen öffentlichkeit, die eine kritische, meist anwaltschaftliche aufgabe in der artikulation von probleme und in der diskussion von lösungen einnehmen sollten.
    stadtwanderer

  4. @ stadtwanderer

    könntest Du oder vielleicht auch Kurt Imhof etwas mehr über die rolle der zeitungen für die politische öffentlichkeit berichten?
    Ich denke, dass die aufgabe der zeitungen objektiv und relativ neutral über die politische öffentlichkeit zu schreiben sein müsste. leider habe ich das gefühl, dass die zeitungen heute klare politische meinungen vertreten, oder war dies schon immer so? auch nehmen die zeitungen ganz klar dieselbe haltung ein, die auch die studie der uni bern bei den bundespolitikern herausfand 🙁 Siehe beispiel BR schmid affäre! Auch die zeitungen nehmen nur noch gegen alle politiker stellung. Henne meint ein lemming verhalten, schöner vergleich 😉

  5. Ich fand die wohltuend mainstreem-abweichenden Äusserungen von Kurt Imhof zu dem spanisch-schweizerischen Spezialität der Botellones super! Gewisse SP-Stadträte und Präsidenten haben in dieser Sache wohl doch einwenig überbissen…

  6. Danke für Deinen Erklärungsversuch, lieber Stadtwanderer.

    Henne, Deine Meinung kann ich voll und ganz teilen und widerspiegelt sich teilweise auch in den nachfolgenden Zeilen – ausgenommen der Kritik an der Kritik. Im Grunde hat Kurt Imhof recht: Die “universitäre Elite” mag sich kaum exponieren. Wenn’s einer trotzdem tut, ist er sogleich ein “Nestbeschmutzer” 🙁

    In denke die fehlende Kritik bezüglich Zusammenspiel von Politik und Medien hat viel mit dem strukturellen Wandel der Medien zu tun. In der Presselandschaft gräbt man sich gegenseitig das Wasser mit Sonntagsausgaben und Gratiszeitungen ab. Zudem wandert viel zu den neuen Medien, namentlich Internet, ab. Die Einnahmen sinken, womit auf der anderen Seite der Kostendruck steigt. Lange Zeit waren die Redaktionsetagen heilige Kühe. Nun werden auch diese immer häufiger vom Spardruck eingenommen. Folgedessen sinkt einerseits die Qualität der Berichterstattung (wer z. B. Zeit für Recherchen aufwenden will, muss dies sehr gut begründen können). Andererseits kann schon eine Bagatelle eine Schlagzeile wert sein. Und da ist das politische Umfeld ein dankbarer Schlagzeilen-Lieferant.

    Die “unanständige” SVP hat das verstanden, die anderen winden sich noch, es der SVP gleich zu tun – der bisherige politische Anstand verpflichtet. Dabei (re)agieren die anderen Parteien inzwischen gleich unsachlich wie die SVP. Sie haben es nur noch nicht gemerkt (CVP?), rennen den Schlagzeilen nach (SP?) oder gehen in den SVP-Schlagzeilen unter (FDP?).

    In diesem “Umfeld der Unsachlichkeit” kann ich den Ruf nach mehr Experten in der Politik verstehen. Schliesslich halten es Politiker ja auch nicht für nötig, vorgängig eine oder mehrere fachkundige Meinungen einzuholen (z. B. bezüglich Bottellòn). Eine Arena hat auf diesen “Trend” mit einer Expertenrunde reagiert. Politik ist an sich nicht immer einfach. Wenn dann noch Experten miteinander “fachsimpeln”, könnten Hilde und Hans Schweizer dann einer Sache vielleicht gar nicht mehr folgen können. Wir werden’s sehen…

    Es gibt hingegen einen kleinen Hoffnungsschimmer am Horizont (wie auch von Henne antönt): Blogs. Ich würde diese nach der vierten Macht, den Medien, als die fünfte Macht bezeichnen. Natürlich spreche ich nicht von privat-privaten Blogs (“heute war ich im Zoo…”), sondern von investigativen Blogs von privater Seite. Davon gibt’s noch wenige. Allzu viele braucht es allerdings nicht, um andere aufzurütteln und einen Gegenpol zum Mainstream bieten zu können…

  7. Och, da wollt’ ich noch etwas Schleichwerbung machen: Am 27. September 2008 findet in Biel die zweite “Nacht der 1000 Fragen” statt. Antworten gibt’s zwar keine, aber viele grundsätzliche Fragen zum Nachdenken – worunter auch diese Thematik fallen könnte.

    In diesen hektischen Zeiten sollten vielleicht auch andere Städte eine ähnliche Veranstaltung durchführen, welche aufrütteln und zum Nachdenken anregen soll?

  8. …puahhh. Welch ein Thema. So lecker und so elend gleichzeitig.
    Es ist/wäre die Aufgabe der Medien, eine politische Öffentlichkeit herzustellen und den Diskurs in der Öffentlichkeitz zu ermöglichen, in politischen, sozialen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Fragen. Letzlich bei allen Fragen, die für ein Zusammenleben in der Polis relevant sind. Ohne die Medien, die Öffentlichkeit herstellen, ist ein Thema kein Thema, ist ein Diskurs nicht möglich, ist eine Gesellschaft bankrott.

    Es ist/ wäre ihre Aufgabe, sagte ich. Die wenigsten Medien halten sich heute an diese ihre ureigenste Verpflichtung.

    Wer sind die Medien? Einerseits die Verlage, die grossen Verlagshäuser und andererseits die Journalisten. Über die Verlagshäuser gibt es viel zu sagen, aber das würde die Diskussion sprengen.

    Die Journis arbeiten an vorderster Front (in ihrem Büro vor dem Computer!) Ich nenne sie die Ajournis (die Boujous (Boulevard – dazu gehören heute die meisten Zeitungen in der Schweiz und nicht allein der Blick) lasse ich jetzt und für diese Diskussion aussen vor).

    Also die Ajous: Sie sind à jour, sie sind die Agenda- und Agenturjournalisten. Sie sind informiert und fleissig, machen eine gute Themenbewirtschaftung und sie sind hörig: ihrem Verlag und den Agenturen.

    Sie nehmen die Themen auf, die ihnen die Agenturen vorschreiben. Was nicht von Reuters, AP oder SDA kommt, kommt nicht in die Zeitung oder auf den Sender. Das Agendasetting machen Firmen, Universitäten und Politiker mit gutem PR-Know-how im Rücken. Eine Pressemitteilung, an die Agentur, die Agentur stellt ev. ein, zwei Fragen an den entsprechenden Aussender und die Sache geht auf den Newsticker.

    Die Journalisten ihrerseits picken sich eine Meldung heraus – und heute nicht mehr mit der Frage: “Was ist relevant” sondern mit der Frage: “Was interessiert” – und dies sind dann die Themen, mit denen wir regelrecht zugedröhnt werden. Hier wird mit den niedrigsten Instinkten des Publikums gespielt.

    Die guten Journalistinnen und Journalisten sind selten geworden. Und die wenigen, die noch sind, werden mit Reorganisationen und sonstigem bürokratischen Müll im Zaum gehalten oder halten sich selber im Zaum, um keine unnötigen Diskussionen zu haben.

    Und eines möchte ich hier unterstreichen: Das sind keine Übertreibungen, sondern das ist journalistischer Alltag.

    Kurt Imhofs Ärger über die schweigenden Kollegen und Kolleginnen ist berechtigt. Aber ist es nicht auch so, dass es manchmal mehr als schwierig ist, überhaupt einen Journalisten dazu zu bewegen, ein Thema aufzunehmen. Kurt Imhof dürfte diese Erfahrung wohl mehr als einmal selber gemacht haben?

    Ich ärgere mich also vielmehr über schweigende Journalistinnen und Journalisten. Mehrnoch: Hier bin ich wütend.

    Frage ist, wie man eine Änderung bewirken kann? Meine Tipps: Gratisblätter boykottieren, auch wenn es einen am Morgen noch so juckt, in den Kasten zu greifen. – Mit Kreti und Pleti darüber sprechen und die Misere monieren. – Sich von keinem Blatt und keinem Sender ein X für ein U vormachen lassen. – Bei wichtigen Themen verschiedenste Quellen suchen. – Den wachen Menschenverstand walten lassen und nicht den gesunden. – Kurt Imhof hält weiterhin Kolloquien an seiner Uni (Thema z.B. “die Rolle der Journalisten bei der Schaffung von Öffentlichkeit während des zweiten Weltkriegs” oder “Die Wirkung des Schweigens der Journalisten auf die öffentliche Meinung”. – Der Stadtwanderer lässt solch quere Diskussonen weiterhin zu.

  9. @Eisvogel

    Warum die Gratiszeitungen boykottieren? Die sind genau gleich linkslastig wie die bezahlten, abonnierten Tageszeitungen.

    Und solange es keine nach rechts ausgerichtete Tageszeitung gibt, kann man dem Leser verkaufen was man will. Er muss es ja glauben, weil er nur eine einseitige Meldung hört/liest.

    Du scheinst Dich ja im Journalismus recht auszukennen, also solltest Du auch wissen, dass wir heutzutage keinen freien Journalismus mehr haben. Welcher Jounalist würde heute noch frei seine Gedanken rausschreiben mit der Gewissheit im Hintergrund, dass er dadurch seinen Job verliert.
    Wegen den schweigenden Journalisten ärgerst Du Dich, schreibst Du Eisvogel.

    Ich ärgere mich auch, und zwar über Leute, die am Laufmeter alles besser wissen, alles besser machen würden, hinter dem Computer hocken und gute Ratschläge erteilen. Dann geh doch raus und sorg dafür, dass inskünfitg alles zu Deiner Zufriedenheit abläuft. Sei ein gutes Beispiel und zeig uns auf, wie es sein könnte.

    Würde man mir die Frage zu Deiner Nationalität stellen, so müsste ich mit Deutscher antworten.

  10. @ titus und @ eisvogel

    danke für Eure erklärungen über die stellung der medien. ich staune über Dein wissen in der medienwelt, eisvogel.

    trotzdem stelle ich dir frage; war es schon immer so und ist diese tendenz in allen medienländern festzustellen? eisvogel hat schon einige historische hinweise hypothetisch aufgezeigt. ?-) ?-)

  11. @ titus und @ eisvogel

    danke für Eure erklärungen über die stellung der medien. ich staune über Dein wissen in der medienwelt, eisvogel.

    trotzdem stelle ich dir frage; war es schon immer so und ist diese tendenz in allen medienländern festzustellen? eisvogel hat schon einige historische hinweise hypothetisch aufgezeigt. ?-) ?-)

  12. mich erschüttert hat zunächst der drastische umbruch im zeitungssystem,wie er diese woche von der wemf mit den neuesten nutzungszahlen belegt wurde.
    die gratiszeitungen, anfgeführt von 20 min. legen teilweise beträchtlich zu, fast alles andere, das am wochentag erscheint, verliert, teilweise drastisch, das heisst bis zu 10 prozent in einem jahr.
    extrapoliert würde das heissen, dass tageszeitungssterben und -fusionieren wird schnell vorangehen, bzw. sonntags- und gratiszeitungen werden noch ein weile zunehmen.
    das newsgeschäft findet nur noch online, elektronisch und im gratisprint statt, das aggressive themensetzen geschieht über die sonntagspresse. die tageszeitungen, die sich nicht dem seriösen und eigenständigen hintergrundsjournalismus verschreiben, werden dazwischen zerrieben.

  13. Danke Stadtwanderer, für deine nüchterne Zusammenfassung und deine immer sachliche Art, womit mindestens der Diskussionsfaden hoffentlich etwas “entdramatisiert” wurde. Ich habe einen Hang zur Tragödie, ich weiss und sorry.

    @ate: Ich war 11 lange Jahre bei den Medien tätig, davon 8 Jahre im News-Journalismus. Und nicht nur die Tageszeitungen, die sich einem seriösen und eigenständigen Hintergrundjournalismus verschrieben haben, werden, wie Stadtwanderer schreibt, dazwischen zerrieben, sondern auch die Journalistinnen und Journalisten, die ihren Job nicht nur geil finden, sondern ihn auch wirklich ernst nehmen wollen. Und: Es sind private und gesundheitliche Gründe, die mich gezwungen haben, mich einen Moment zurückzuziehen.
    Der “Deutsche” ist lediglich eine “Zürcherin”. Aber vielleicht ist das auch ein Schimpfwort?

    Ich möchte nicht lamentieren und jammern. Und ja, manchmal bin ich unsachlich. Weil wütend und vielleicht etwas hilflos zur Zeit.

    Die Gratiszeitungen haben nicht die Aufgabe, zu informieren, sondern ihre Auflage zu erhöhen. Kurzfutter und Bildchen sorgen dafür. Es wird wiedergeben, was an “Spannendem” auf dem Newsticker war, nicht an “Relevantem”. Und sie sind dabei weder links noch rechts.

    Geld verdienen ist an sich nichts Schlechtes. Aber wenn dabei der hinterfragende und reflektierende Journalismus auf der Strecke bleibt, dann haben wir ein Problem, dann hat die Demokratie ein Problem.

  14. hallo an alle, hört mich jemand 🙂

    wann hat diese art von journalismus angefangen? ist es wirklich mit dem aufkommen der gratiszeitungen oder war dies schon früher so? wie ist dies in den anderen medienländern? danke für irgendeine antwort!

  15. @Titus und @Titus
    Habe deine Frage (war es schon immer so?) übersehen. Sie zu beantworten liegt wohl eher in Stadtwanderers Hoheitsgebiet?
    Ich beantworte sie – wieder sehr unwissenschaftlich – folgendermassen: Ja, es war schon immer so. Heute sind es nicht mehr Kaiser und Könige, die ihre Interessen durchsetzen möchten, sondern z.B. eine Pharmaindustrie. Sie haben ihre Lobbyisten, die die öffentliche Meinung beinflussen sollen.

    Und hier ist eben die ureigenste Aufgabe der Medien: Interessen aufzuzeigen. Gegenargumente aufzunehmen, zu reflektieren, mit Experten zu sprechen und deren Meinungen so herunterzubrechen, dass eben auch Hilde und Hans Schweizer verstehen, was Experte sagt, ohne das Substanz verloren geht.

  16. mischa, ich risikiere zwar, dass du mir jetzt wieder feriennostalgie vorwirfst, schweizer realitätsferne und schwedentümelei beifügst.
    aber: soweit ich das rekonstruieren kann, stammen die gratiszeitungen aus schwe… und sind in stock … unter dem namen “metro” ende des 20. jahrhunderts aufgekommen als zeitung für das pendlervolk in der u-b… aufgekommen.
    hier schon mal der beleg: http://de.wikipedia.org/wiki/Metro_(Zeitung)
    mehr, wenn ich zeit gehabt habe zu recherchieren … oder nach schweden zu fliegen und vor ort einen bericht zu machen.

  17. @ Eisvogel
    Es lag mir fern Dich zu beleidigen, aber scheinbar kam es so rüber, darum bitte entschuldige.

    Wütend und etwas hilflos, Deine Worte. Genau so fühle ich mich in letzter Zeit häufig.
    Ob das wohl ein Zürcher-Frauenphänomen ist?

    Ein Plus an den Gratiszeitungen finde ich ist, dass sich unsere Jugend doch mal bequemt und sich mit dem Weltgeschehen auseinandersetzt, oder wenigstens darüber liest. Welch Lehrling etc. würde sich eine Tageszeitung abonnieren oder sich Online die News reinziehen?
    Mich frustet es täglich, wenn ich den Tages-Anzeiger aufschlage und ich ausser den Todesanzeigen bereits schon das Meiste am Vortag erfahren habe.

    Wobei, das ist nicht der Kernpunkt dieser Diskussion.
    Der Stadtwanderer hats bereits wieder einmal bewiesen: Er bewegt.

  18. @ Eisvogel
    Die Frage “war es schon immer so?” kam von Mischa, nicht von mir.

    Deine “unwissenschaftliche” Antwort 🙂 “ja es war schon immer so” widerspricht allerdings Deinem früheren Kommentar:
    “Die Journalisten ihrerseits picken sich eine Meldung heraus – und heute nicht mehr mit der Frage: “Was ist relevant” sondern mit der Frage: “Was interessiert” ” Letzterem stimme ich auch eher zu: Das “Überangebot” an Fläche (die gefüllt werden will) und das alleinige Abdrucken von Agenturmeldungen führt eben schon zu einem vermehrten Herauspicken und beurteilen von “what-sells?”.

    @ Ate
    Ja, es ist schön, wenn sich Jugendliche auch fürs Weltgeschehen interessieren. Aber ob sie etwas lernen aus den Gratis-Holzmedien?

    @ Stadtwanderer
    Gratiszeitungen haben auch meines Wissens ihren Ursprung in Schweden. In der Schweiz hiess ein Ableger davon ja auch einmal “Metro” (vielleicht erinnern sich einige noch daran), musste dann aber aus rechtlichen Gründen den Namen ändern (“Metro” war glaube ich bereits markenrechtlich geschützt oder so ähnlich).

  19. @ stadtwanderer

    es reicht nun aber wirklich! wann gehen wir beide nach schweden, dass Du mir alles zeigen kannst? langsam aber sicher werde ich beigeistert 🙂

    @ titus

    ich erinnere mich an die kurze ära von metro! war das wirklich ein problem des geschützten namens (metro bellvue garage in bern) oder war da nicht die konkurenz 20 minuten zu stark?

  20. Ob unsere Jugend etwas lernt aus den Gratis-Holzmedien sei dahingestellt, lieber Titus. Hauptsache ist, sie nehmen wenigstens eine Zeitung in die Hand und sofern sie Deutsch lesen können, wird einiges hängen bleiben, ansonsten sollen sie sich halt an den Bildern erfreuen.

    Seit dem Botellon-Thema werde ich den Verdacht nicht los, dass unserer Jugend rein gar nichts zugetraut wird.
    Und genau da sollte sich Kurt Imhof mal zu Wort melden, sofern er immer noch auf dem Stadtwanderer liest.

    @ Eisvogel
    Siehst Du, wütend und nicht etwas, sondern sehr hilflos stehe auch ich da, aber in einem anderen Zusammenhang.

  21. Spannend wäre auch zu wissen, warum die Gratiszeitungen in Deutschland nur eine kurze Lebensdauer hatten? Von einem Kollegen habe ich gehört, dass die grossen Verlage (z.B. Springer) da mit sehr viel Geld reingegangen seien, um sie zu verhindern. – Aber im Moment keine Zeit, das Thema zu verfolgen.

    @ate
    Ein krasses Beispiel, um meine Sicht zu verdeutlichen: Vor ein oder zwei Jahren sitze ich in meinem Zügli. Neben mir Mutter und Kind. Die Kleine etwa 6 oder 7 Jahre. Jede eines dieser Revolverblättchen in der Hand. Beide die gleiche Seite aufgeschlagen. Vor sich ein grosses Bild, auf dem irgendetwas seltsames und ungeheuerliches abgebildet ist. Es sieht aus, wie Gedärme im Schlamm. Darunter steht, dass irgendwo in Brasilien eine Mutter ihr Baby umgebracht und verscharrt hat. Ob die Kleine lesen kann, sehe ich nicht. Sehe nur, dass beide unverwandt dieses Bild anstarren und die ganze weitere Fahrt schweigen. – Es ist ein krasses Beispiel.- Aber es wiederholt sich täglich in etwas milderer Form: Viel Schrott, keine Inhalte.

    Und ja, es ist vielleicht nervig, wenn der Tagi wie die alte Fastnacht hinterher hinkt. Nur, – und auch wenn der Tagi nicht über jeden Verdacht erhaben ist: Es gibt einen kleinen Unterschied, ob man mit Copy Paste Agenturmeldungen kürzt und ins Blatt setzt und vielleicht noch ein Telefon macht oder ein Interview führt. Da lob ich mir die NZZ, die manchmal zwei, drei Tage später kommt, dafür aber fundierter. Ob mir die Schlussfolgerungen dann passen, sei hier mal dahin gestellt. Sicherlich aber habe ich mehr Inforation bekommen.

    Es geht die These herum, dass Jugendliche mit den Gratiszeitungen wenigstens angefixt werden und später zu inhaltreichere Medien wechseln. Dem kann ich nicht folgen. Es ist mehr eine Frage, was ein Jugendlicher sonst für eine Biografie hat, welche Schulen er besucht, wie in seiner Familie mit den Medien umgegangen wird, ob er oder sie lernt, was gedruckt steht als eine mögliche Variante, als eine Sicht der Dinge, aber nicht unbedingt als die Wahrheit zu verstehen.

    Medienbildung wird in praktisch allen Schulen sehr klein gefahren. Vielleicht etwas provozierend würde ich sagen, dass ein Jugendlicher an einem Bottelon, zusammen mit guten Freundinnen und Freunden, mehr lernt, als wenn er oder sie 20Minuten liest. 😉
    Und beleidigt hast du mich nicht. Wer laut in den Wald schreit, muss sich nicht wundern, wenn sie mit Tannenzapfen beschossen wird.

  22. @ Eisvogel
    Herrgöttle noch mal, warum wurde ich von keinem einzigen Tannenzapfen beschossen? Könnts dran liegen, dass mein Freund der Baum sein Geschoss in eine andere Richtung abschoss? Kanns sein, dass er auch Dich mit seinem Geschoss nicht treffen wollte?

    Seis wie es will, ich danke Dir dafür, dass Du mir einen kurzen Einblick in Dein Leben gabst, mir aber nun ungefragt einen Einblick in Deine Psyche nachlieferst.
    Darf ich Dich um etwas bitten Eisvogel? Gib mir mehr! Nur Du verstehst, was ich meine.

  23. derweil wir hier interessant erörtern, was die lage des journalismus’ in der schweiz ist, diskutierten am schweizer medientag ausgewählte chefredaktoren in eigener sache. hier ihre optimistische bilanz gemäss kleinreport:

    “Ausgangspunkt der Diskussion war die Feststellung, dass auch nach der kürzlich erfolgten Veröffentlichung der neuesten Mach-Zahlen die Schweiz ein Zeitungsland ist und wohl noch eine Zeit lang bleiben wird. Allerdings war auch nicht bestritten, dass sich zumeist dieselben Leute, die Zeitungen lesen, Informationen und Unterhaltung auch online und mobile beschaffen. Wenn jemand darunter leide, dann am ehesten das Fernsehen, merkte Patrik Müller an. Insgesamt sei es aber wichtig, mit der Gesamtheit der Angebote auf Papier, in Radio und Fernsehen sowie digital die Zahl der Menschen zu vergrössern, die man erreiche, forderte etwa Andrea Masüger. «So bekommt man auch Werbung, die nötig ist, wobei wir aufpassen müssen, die Leute nicht mit zu viel Werbung zu nerven». Dem schloss sich zu einem gewissen Erstaunen der Übrigen auch Sacha Wigdorovits an, der gewissermassen als Schlusswort betonte, dass bei allen Bemühungen um Werbung und Reichweite die journalistische Glaubwürdigkeit nicht leiden dürfe.”

  24. die rivella gelb aktion war klever. nur wurde die 20-minuten an diesem tag viel weniger gelesen, auch mir machte es kopfschmerzen 🙁

    ja auch ich bin 20 minuten leser, natürlich nicht nur….

    @ eisvogel

    leider stelle ich in den letzten jahren auch in den kostenpflichtigen zeitungen einen abfall der qualität der berichte fest. logisch die gratisblätter nehmen den anderen die werbekunden weg, budget wird kleiner, gute journalisten gehen da sie bei agenturen mehr verdienen. also wird heute auch oft in einer bz oder im bund auch im tagi via copy-paste und löschtaste berichte erstellt.

    Du hast geschrieben, dass Du nicht immer mit der nzz einer meinung wärst, wenn ich Deine aüsserung richtig interpretiere. genau dort sehe ich das problem von heute. die zeitung sollte mir keine meinung aufdrücken (stihl blick seit den 70-jahren). sondern mich informieren und anregen nachzudenken, wie meine meinung sein könnte. ich lese nicht damit ich dann die meinung des schreiberlinges vertreten muss oder will.

    was die jugend heute list, da habe ich keine ahnung. unser lehrer (deutsch und staatskunde), lies uns klassiker wie neulinge in der deutschstunde lesen und in staatskunde tageszeitungen. das wahr wohl eine schule für’s leben, wie sie sein sollte 😉

  25. @ Mischa

    Nein, kleine Korrektur, lieber Mischa. Ich meine genau das Gegenteil: Ich bin mit der NZZ tatsächlich nicht immer einer Meinung, aber: Ich schätze an der NZZ, dass sie mir mehr Informationen liefert und vor allem fundiertere. – Meine eigene Meinung aber, die bilde ich mir selbst. Genau darum geht es mir hier doch in dieser Diskussion. – Ansonsten bin ich ganz deiner Meinung. – Bedeutet aber: Im Haushaltsbudget immer einen kleinen Posten für eine Tageszeitung zu reservieren.

    @Ate
    Je später der Abend, desto mehr Psyche scheine ich zu offenbaren. Ich glaube nur, dass ist nicht der richtige Platz hier? Ich weiss nicht recht, ob es den Stadtwanderer ärgern oder freuen würde? Tatsache ist, dass er diese Fähigkeit hat, Themen so unaufgeregt und sachlich zu bringen.

    Irgendwann habe ich es geschafft und habe mir den eigenen Blog eingerichtet, wo ich mir dann meine persönliche “Laut-in-den-Wald-schrei(b)en-Therapie” leisten werde. – o.k.?

    @Stadtwanderer
    Eine Krähe hakt der anderen das Auge nicht aus. Der Peak in dieser Sache ist das Buch “Die Alpha-Journalisten – Deutschlands Wortführer im Portrait. Mit einer kritischen Einleitung zwar, aber die folgenden Portraits sind ohne Ausnahme affirmativ. Da wird auch unser lieber Weltwoche-Klöppler hochgejubelt (Herbert von Halem Verlag).
    Hübsch und erfrischend finde ich hingegen unseren Moritz, der über das Wetter im DRS wettert (unter meinem Namen verlinkt).

  26. @ eisvogel

    weisst Du, was mich wirklich zu weissglut bringt:
    wir haben drei tageszeitungen abonniert. schön, wir konnten dies dank einer aktion im preis. nur leider gehe ich am morgen um 6:42 auf das legendäre “blaue bähnli”, wobei richtung bern. normalerweise sollte ich die tageszeitungen mitnehmen können. leider verschläfft der zeitungausträger immer häufiger, so dass ich wirklich nur die 20 minuten habe, während dem tag. am abend bin ich dann meistens auf dem neuesten stand und muss die “alten” blätter nicht mehr lesen…..

    ätzend 🙁

  27. @ Eisvogel & Mischa
    Da komm’ ich wieder einmal an den Punkt, wo ich meine “Grundprinzipien der Beurteilung einer Sache” propagiere (an die ich mich wohl auch nicht immer ganz halte):
    – Hole Dir die Informationen möglichst immer ab der Quelle (ohne mehr oder weniger gute “Übersetzung”)
    – Hinterfrage, was der Mitteilende sagen/bezwecken oder welchen Eindruck er hinterlassen will.

  28. @ Mische
    Mehr als ätzend! Hast du schon mal reklamiert? Angerufen und gesagt, dass du so auch gerne auf die Zeitung verzichtest? – Ich reklamiere auch nicht gerne. Ist aber immer noch effizienter als Frust und Faust im Sack. 🙂

  29. Ich finde, die Diskussion trifft den eigentlichen Punkt nicht.
    Denn es geht um Frage, ob der Wettbewerb Qualität in der Oeffenetlichkeit sichert.
    Eigentlich nur wenn man keine Erwartungen an die Oeffentlichkeit hat, kann man die Frage bedenkenlos bejahen.
    In allen anderen Fällen braucht es eine sehr kritische Diskussion.
    Oeffentlichkeit, die für die demokratische Gesellschaft Funktionen wie die Kontrolle der Macht, die Diskussion der Standpunkte, die Qualifizierung des Personals, die Information der Bürgerschaft und ihre Aktivierung erbringen muss, kann nicht mit den gleichen Mitteln gesteuert werden, wie der Verkauf von Bratwürsten. Es geht nicht nur darum, die Preise tief zu halten und Lebensmittelverordnungen einzuhalten. Nein, es geht darum, Demokratie zu ermöglichen.
    Das hat Herr Imhof ganz richtig analysiert, und ich finde, man sollte wieder auf diesen Punkt zurückkommen.

  30. Der interaktive Prozess zwischen Medienmächtigen im Lande, den politischen Meinungsmacher und ihren Institutionen gerät bei der Politstudie „Schmid/Nef“ in eine Dynamik, die von den Ereignissen beinahe diametral zum quantitativen Ausmaß der Berichterstattung verläuft.
    Inszeniert von einigen Parlamentarier/innen wurde die Thematik polemisch ausgeweitet als wäre die Armee und ihr Chef kurz vor einem Kollaps. Dagegen Pius Segmüller (CVP,LU) in angenehmer Sachlichkeit: „Bevor ich mich äussere oder festlege, will ich die genauen Fakten kennen.“
    Ebenso faktenorientiert äussert sich BR Schmid auf der Website des VBS. Selbst einem voreingenommenen Leser wird im Interview vom 29.08.2008 auffallen, wie sich der VBS-Chef differenziert und glaubwürdig mit seinem Departement und dem für ihn „nicht einsehbaren möglichen Schatten auf dem intimen Privatleben des Kandidaten“ Nef auseinandersetzt und selbstkritisch beurteilt.
    Wer ein ganzheitliches Menschenbild voraussetzt, hätte zwischen seiner emotionalen Betroffenheit und Anteilnahme nach dem Kanderunglück und den oftmals respektlosen Diffamierungen gegen seine Person einen Widerspruch zu bewältigen.

    Medienvertreter wie politische Exponenten scheinen unter dem Einfluss des Eigennutzes für Qualitätsansprüche blind zu sein.

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