die vox-analyse des landwanderers

eine tolle diskussion, die am sonntag mit dem aufgerissenen güllengraben entstanden ist. der stadtwanderer ist zum landwanderer geworden, und hat seine eigene vox-analyse zum abstimmungssonntag gemacht.

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je mehr rot drauf, desto mehr schweizerkreuz drin! gemeindekarte der abstimmung zur waffen-initiative

“angefangen hat es, wie bei so vielen anderen sachen, mit der abstimmung über den ewr. die schweiz solle dem eu-vorhof betreten, entschied der bundesrat. doch die stimmbürger/innen machten nicht mit. die traditionalisten waren gegen die modernisten. die alten gegen die jungen. die einfachen leute gegen die studierten. und das landvolk gegen die städte.”

“die städter verstehen uns nicht. sie wollten die bilateralen, den uno-beitritt, die personenfreizügigkeit, die abkommen von weiss ich wo, und sie waren bereit, den ehemaligen ostblockstaaten von unserem geld zu schicken. immer bekamen sie vom fehlgeleiteten souverän recht, denn die städter furchteten, von der eu drangsaliert zu werden.”

“städtische unsitten muss man heute als sogannte zeichen des fortschritts ertragen, mutterschaftsgelder bezahlen, schwule väter akzeptieren und kindstötungen vor der geburt zulassen. alles nur wegen den städtern!”

“als es um die ausländer ging, revanchierten wir uns erstmals. von denen wimmelte es ja in der stadt. und da sollten sie nur bleiben. erleichterte einbügerungen für secondos überall – sicher nicht. minarette auf dem dorfplatz – garantiert ohne uns. und gesetzesbrecher durchfüttern – undenkbar. sorry, ihr städter, die gehören ins flugzeug und weg damit.”

“wir sind stolz auf unsere tiefen steuern. denn wir haushalten sparsam. dulden keine bürokratie. und auswärtige einsprachen brauchen wir schon gar nicht. denn für umweltschutz sind nicht die, die naturnah leben, sondern die, die auf ihrem überdimensionierten ökologischen fussabruck steht.”

“natürlich, für die arbeit, da muss man in die stadt, und bezahlt man sich heute schon dumm und dämlich, egal ob automobilist und zugfahrer. genau dafür soll man bald noch mehr blächen müssen, meint die leuthard. wie gummistiefel riechen, weiss sie ja schon. und ihr wahlkampfspezi erfährt es, wenn er noch einmal sagt, wer auf dem land lebe, sei ein subventionsfetischist.”

“da lese man doch einmal die schriften vom famosen bundesamt für raumplanung. konzentration der investitionen auf die infrastruktur in den zentren. die leute aus dem lokalen zeughaus können ein lied davon singen. die bauern auch. überhaupt, die hasst man in den denkfabriken der städter. der föderalismus ist passé, steht über dem pult des direktors von avenir suisse.”

“jawohl, jetzt ist tradition suisse ist angesagt! genau darum lassen wir uns von joe lang und der galladé nicht entwaffnen. nicht einmal die untertanen der alten orte mussten ihr gewehre abgeben. und ihre lokalen sitten und bräuche wurden toleriert. selbst das haben uns die stadtdiktatoren heute weggenommen. um es in brüssel gegen mamom einzutauschen, was sie uns zwar nicht sagen, wir aber schon lange wissen.”

“wir haben es ihnen mit der münze heimgezahlt, mit der sie uns so lange über den tisch gezogen haben. jetz ist fertig, schuss!”

landwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

11 Gedanken zu „die vox-analyse des landwanderers“

  1. Lieber Stadt- oder Landwanderer
    Ich brauche Hilfe! Als Röstigraber finde ich meine Rösti nicht mehr, sie ist von Gülle zugeschüttet und jetzt wird auch noch der Stadtwanderer zu einem Landwanderer. Ich finde mich nicht mehr zu Recht in dieser offensichtlich neuerdings völlig bipolaren Schweiz? Denn ich (und auch der Stadtwanderer) wohnen in der Agglomeration, also genau im Graben zwischen der Stadt- und dem Land und da stinke es nun offensichtlich nach Gülle und duftet nicht mehr nach Rösti, ein typisches Schweizerprodukt, welche diesen Graben bisher auszeichnete. Rösti als Inbegriff einer möglichen Integration, als probates Mittel zu Überwindung des Graben, entstanden nach dem Sonderbundskrieg, dem letzten grossen Grabenkampf und Bürgerkrieg in der Schweiz, als aus dem von Grabenkämpfen und Glaubenskriegen geprägten Staatenbund die heutige Schweiz entstand basierend auf den drei Säulen: dem auf Ausgleich bedachten Zweikammersystem, der Rösti als über die Sprachgrenzen hinaus duftendes Nationalgericht und dem Prinzip der Gewaltentrennung (Legislative/Exekutive/Judikative), welche mit der am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Justizreform und der Vereinheitlichung des Zivil- und Strafprozessrechts ihren vorläufigen Abschluss fand. Und nun ist plötzlich alles anders. Stadt oder Land, Ja oder Nein, SP oder SVP (Wyss oder Amstutz), Rösti oder Gülle. Nur noch diese Fragen zählen offenbar, machen die aktuelle Schweiz aus. Mir stinkt das ganz gewaltig. Frage an all die Politikaugurinnen und Politikauguren und Titanen, die mit dem Stadtwanderer wandern und stampfen und dabei ihre Marcierung hinterlassen, kann dagegen nicht unternommen werden. Müssen wir nicht die Schweiz oder Bern oder weiss ich nicht was neu gründen?

  2. Ich weiss, die Graben-Diskussionen sind nicht nur ersprieslich. Denn sie reissen auf, was nicht immer Sache aller ist.
    Doch letztlich reissen sie nur unsere Bilder auf, was, solange die Bilder nicht mehr stimmen, auch nötig ist.
    In der Tat zeigte ja die vox-analyse des landw., dass es schon länger tendenzen in dieser richtung gibt. bis jetzt waren sie kaum ein thema, weil bei erheblichen differenzen immer die urbane bevölkerung gewann. seit den minaretten ist das anders, umgekehrt. es setzt sich der rurale standpunkt durch.
    falsch wäre es, da den kopf in den sand zu stecken …

  3. Es geht nicht darum, den Kopf in den Stand zu strecken. Der von Dir erwanderte Graben ist in der Tat da. Meine Frage ist bloss und hier herrscht das grosse Schweigen: Was kann getan werden, dass dieser Graben nicht noch stärker zum politisch prägenden Element der Schweiz wird. Sind da auch noch Zwischentöne möglich und wie können diese politisch zum klingen gebracht werden. Oder ist es halt im Sinne klarer und einfacher Positionen so, dass es nur Stadt oder Land gibt und je nach politischer Grosswetterlage (Umfragen, Abstimmungen, etc.) die eine obsiegt und die andere unterliegt(in der Fachsprache eine sog. “win/loose Situation”; gibt es nicht auch win/win Situationen?

  4. Tja, man redet ja nicht umsonst von Bauernschlauheit.
    Super geschrieben lieber Stadtwanderer. Jeder SVPler hätte seine bare Freude dran.

    Denke, es gäbe durchaus einen Weg werter Röstigraber und zwar den des Zuhörens, des sich in die Gedanken des Gegners oder Befürworters reinzuversetzen, zu versuchen seine Ablehnung oder Befürwortung zu verstehen, anstatt stur seine eigene Meinung zu vertreten, weil man davon ausgeht, dass nur die, eben die eigene die Richtige ist.

    Aber Du hast schon recht, es gibt nur noch Ja oder Nein, Amstutz oder Wyss, links oder rechts, schwarz oder weiss.
    Beginnen wir doch wieder miteinander zu sprechen, seien wir doch so tolerant und lassen auch andere Meinungen zu, auch wenn sie uns nicht in den Kram passen.
    Versuchen wir doch wieder miteinander anstatt gegeneinander zu leben und lassen dabei auch andere Meinungen gelten und versuchen sie zu verstehen. Vielleicht hockt dann der Bauer nicht mehr so stur auf seiner Mistgabel und der Städter nimmt vielleicht die Mistgabel auch mal in die Hand, ohne Angst dabei zu haben, sich dreckig zu machen.

  5. @ Röstigraber
    Sorry, erst beim Nachlesen sah ich, dass ich Sie stinkfrech geduzt habe. Vielleicht liegst am Wiener Zentralfriedhof, der Sie mir näher brachte.

    Nun gut, geschehen ist getan.

  6. @ Ate
    Beleiben wir beim Du, denn noch liege ich nicht auf dem Wiener Zeintralfriedhof, aber ich liebe ihn. Freue mich drüber, dass auch Du (darf ich ja jetzt auch) nicht eine Freundin oder ein Freund (dein Geschlecht?) der reinen Schwarz-Weiss Malerei oder Plapperei (Arena lässt grüssen) bist sondern die Farb- oder zumindest die Grautöne liebst, wie sie übrigens auch auf dem Wiener Zentralfriedhof sehr schön zu finden sind.

  7. Auch wenn mir nachgesagt wird, ich hätte ein schwarz-weiss-Denken, tue ich das arg bestreiten. Es kommt halt immer aufs Thema drauf an und vor allem auf die Glaubwürdigkeit. Das merkte ich speziell bei der Waffeninitiative. Was da zusammengelogen wurde! Sogar der Teddybär hatte seine Schusswunde am falschen Ort. Ohne weiteres hätte ich ein JA in die Urne gelegt, aber wenn man mir vorgaukelt, dass es pro Jahr 300 Tote durch Militärschusswaffen gibt, obwohls niemand bestätigen kann, nein, dann halt nicht. Interessant war auch, dass diese 300 Toten nach der Abstimmung auf 250 schrumpften.

    Mir ist es egal ob eine Initiative von der linken oder rechten Ecke kommt, ich muss sie mit mir vereinbaren können.

    Nun mache ich noch ne Flasche Wein auf und begiesse unser Geduze. Komm im Fall von der weiblichen Front. Dass war doch die Frage.

  8. Prost! Bis zur hoffentlich konstruktiven Fortsetzung der Diskussion. Denn sie ist es wert, differenziert geführt zu werden. Heute dazu spannender Artikel in der Sonntagzeitung zur Entwicklung der Städte (S. 13-15; zum Glück keine keine Schwarz-Weiss Malerei, die anscheinend werder Ate noch ich schätzen)

  9. @ Röstigraber
    Buchte mal 1 Woche New York. Nach zwei Tagen flüchtete ich nach New Jersey, denn ich fühlte mich von den Wolkenkratzern erdrückt. Wobei, dass sind meine Befindlichkeiten.

    Der Artikel in der Sonntagszeitung ist sehr ausgewogen und es scheint, als gäbe es wirklich nur zwei Möglichkeiten (in die Wälder reinbauen, lass ich nun grad mal wegfallen, genau gleich wie in den Fluss reinbauen):
    Zuwanderungsstopp oder in die Höhe bauen. Aber bitteschön mir kein Hochhaus vor die Stube bauen, denn ansonsten könnte ich die schöne Aussicht auf den Uetliberg mit Auf- und Abgang nicht mehr geniessen.

    Nur, bauen wir in die Höhe, müssen wir uns wieder andere Fragen stellen. Nun, wo wir evtl. geneigt wären, keine neuen AKWs mehr zu
    bauen, wie wollen wir dann die neuen Zuwanderer mit Strom versorgen? Und man rechnet ja mit ca. 1 Mio. in den nächsten 10 Jahren. Die Lifte werden vermutlich auch recht Strom fressen, also bauen wir doch Flaschenzüge ein (Witz).

    Eine andere Frage beschäftigt mich noch. Im Mobimo oder im Prime Tower würde im obersten Stockwerk ein Brand ausbrechen und die Feuerwehr kommt nur bis zur Hälfte, was dann? Wobei, das wird schon durchgeknübelt worden sein.

    @ Stadtwanderer
    Nun hat es Dein Name auch ins Tagblatt der Stadt Zürich geschafft. Nein, kein Artikel, eine Manuela hat über die Meinungsumfragen gemotzt und Dich dabei namentlich erwähnt.

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