wie 1991 so manches ins rutschen kam

der 1. januar 1992 begann für mich schlecht. ich rutsche am morgen auf dem winterlichen glatteis aus und brach mir die rechte hand. meine schlussarbeiten als forschungsassistent und lehrbeauftragter an der uni bern musste ich dann mit links machen. dazu zählte auch die vox-analyse zu den nationalratswahlen 1991. gemeinsam mit sibylle hardmeier war ich mandatiert, die untersuchung zu machen und den bericht dazu schreiben. das wurde dann auch publiziert.

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Jürg Scherrer, erster Nationalrat der Autopartei aus dem Kanton Bern, und letztes Exekutiv-Mitglied der gleichen Partei in Biel/Bienne, heute Ehrenpräsident der Partei, die 1991 ihren höhepunkt hatte

meine persönliche erinnerung an die wahlen 1991 wird durch die autopartei geprägt. sechse jahre zuvor gegründet, kannte die neue rechtspartei 1991 ihren höhepunkte. im nationalrat kam sie auf 8 sitze. mit ihr hatte eine populistische partei neuen typs erstmals wirklichen erfolg. denn man unterschied sich von den schweizer demokraten, die ein zu kleinbürgerliches bild abgaben und einseitig auf migrationsfragen eingeschworen waren. dem versuchte man mit der autopartei etwas neues entgegen zu setzen, ging es doch um eine allgemeinere staatskritik, namentlich um beklagte einschränkungen rechtlicher und belastungen finanzieller natur. zum inbegriff des neuen freiheitsdenken avanciert der autofahren, das schönste für den unabhängigen mann, von der polizei schikaniert und vom steuervogt in beschlag genommen. es entstand auch eine neue feindbildpolitik, das auf den ebenso erstarkten grünen (“latzhosenträger” und “ökofuzis”) aufbaute.

man weiss es, die autopartei ist heute bedeutungslos. vor zwei jahren verlor sie mit dem abgang von jürg scherrer in biel-bienne ihr letztes exekutivmandat. ihr niedergang setzte jedoch schon mit der ewr-abstimmung 1992 ein, denn die svp machte es sich von nun an zur aufgabe, irritierte eu-gegner im eigenen land zu sammeln und öffnete mit der kampagne hierzu dem populismus den weg in eine regierungspartei. zahlreiche autoparteiler traten in der folge zur svp über, die verbliebenen begründeten sich als freiheitspartei neu, kannten aber keinen wirklichen erfolg mehr.

auch mein aufstieg als wahlforscher (und nicht-autofahrer) ist mit der autopartei verbunden. denn mit ihrem auftreten nahm auch das interesse an solchen phänomenen zu, und die nachfrage nach analysen wuchs im in- wie auch im ausland. ein referat mit dem titel “Linke und Grüne an die Wand nageln und mit dem Flammenwerfer drüber” – dem martialischen zitat von fraktionschef michael dreher, das der sonntagsblick publik gemacht hatte – verschaffte mir einladungen von bern bis wien. interessiert waren bürgerlicher parteien, die sich vom populistischen stil abgrenzen wollten, aber auch stiftungen, die sich mit den frühen erscheinungen des neuartigen phänomens in ganz europa ursächlich auseinander setzten.

meine kleine retrospektive auf zurückliegende wahlen macht mir heute deutlich, wie erheblich der politkulterelle, politkommunikative, aber auch politthematische wandel ist, der 1991 seinen ersten grossen politischen sieg feierte, danach transformiert anwuchs und uns heute so prägt.

ach ja, noch eines verbindet mit mich mit der autopartei von damals. am hirschengraben 5, wo ich seit mitte der 90er jahre arbeite, war vormals das parteilokal der ap-bundespartei. und im parteilokal, wo einst michael dreher ein und aus ging, machte ich die jüngste präsentation des wahlbarometers, das unter dem titel erschien: “Die SVP ritzt die 30 Prozent Marke”.

wahrlich 1991/92 bin nicht nur ich beim anstossen auf neue jahr ausgerutscht; die ganze parteienlandschaft der schweiz kam ins rutschen.

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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