direkte demokratie, steuerlasten und weltmeisterträume

ein tag in düsseldorf, gespräche über gott und die welt und so einblicke in eine andere stimmungslage!

Duesseldorf 1
medienhafen düsseldorf, ausdruck der postmodernen hoffnung in düsseldorf, trifft die momentane stimmungslage in der stadt nicht unbedingt.

die themenhierarchie der alltagsgespräche in düsseldorf ist klar: drittens spricht man von der koaltionsbildung für eine neue regierung in nordrhein-westfalen. zweitens staunt man über das historisch einmalige sparpaket der konservativ-liberalen regierung. und erstens freut man sich auf die fussballweltmeisterschaft …

das jedenfalls verrät mir der taxi-chauffeur, der mich vom düsseldorfer flughafen in die innenstadt bringt. denn ich bin referent bei der industriellenvereinigung, eingeladen von schweizer generalkonsul. mein thema: “Direkte Demokratie. Eine Besonderheit der Schweiz, die es verdient verstanden zu werden“.

die mittagsrunde habe ich schnell auf meiner seite. meine these ist, dass es einen zusammenhang gibt zwischen der ausgestaltung politischer systeme und der höhe der steuern. direkte demokratien haben tiefere steuern als repräsentative. punkt!

es geht mir nicht darum, in die debatte über cd-käufe zu intervenieren. letztlich bin ich auch nicht in die untere rheinstadt geflogen, um über die feinheiten im selbstverständnis der schweiz zum bankgeheimnis zu sprechen. vielmehr geht es mir um grundsätzlicheres.

parlamentarische systeme mit einer mehrheitspartei oder einer mehrheitskoalition tendieren dazu, ihre wählerschaften mit subventionen, allenfalls steuergeschenken bei laune zu halten. je knapper die verhältnisse sind, umso wichtiger ist die pflege der zufriedenheit der eigenen klientele. gerade in deutschland kann man regelmässig beobachten, dass steuersenkungen in wahlkämpfen rhetorisch wichtig sind, in der regierungsarbeit aber auf hintere prioritätsplätze relegiert werden. was bleibt sind, subventionen. die staatsquoten, die steuerabgaben und die schulden sprechen hierzu eine deutliche sprache. ich bin nicht unglücklich, dass es da kräfte in staat und markt gibt, welche das von zeit zu zeit mit hochdruck korrigieren.

in meinem vortrag führe ich aus, dass man auch in der schweiz über die budgets des bundes nicht abstimmen kann. das machen die national- und ständeräte. dennoch sind die politikerInnen in der ausgestaltung nicht frei. an erster stelle erwähne ich die schuldenbremse. die wirkungen sind deutlich. die neuverschuldung der schweiz konnte mit der einführungen dieses instrumentes gestoppt werden, und der schuldenberg hat sich, ganz anders als rund herum, in der schweiz verringert.

das zeichen, das von dieser volksabstimmung in der schweiz mit einer sehr hohen zustimmung ausging, war klar, und es konnte von der politik nicht umgedeutet werden. bezogen auf die haushaltspolitik setzten wir damit eine klare limite. die ausgestaltung der folgen in einem budget, empfehle ich, weiterhin den parlamenten zu überlassen. deshalb befürworte ich schuldenbremsen generell, nicht aber für einzelne ausgabenposten wie die sozialwerke.

mein gäste sind begeistert. denn sie wissen, wie es um die finanziellen verhältnisse in deutschland und in der eu steht. und sie fürchten, dass die mehrwertsteuer bald flächendeckend erhöht werden wird. den das historische sparpaket ist viel kleiner als angekündigt, und wir als kompensation für die neuverschuldung nicht ausreichen. so der verbreitete tenor am mittagstisch.

ich warne die neuen freunde der direkten demokratie im zwiegespräch allerdings zu meinen, mit volksabstimmung gäbe es bald keine steuern mehr. die gescheiterte grosse
steuersenkungsrunde 2004 ist mir ein guter beleg hierzu. begründen kann man das damit, dass bei volksabstimmungen nicht nur kurzfristig an die eigenen vorteile gedacht wird, sondern lernprozesse entstehen: was erwarte ich vom staat, und was bin ich bereit dafür zu bezahlen? wenn ein kollektiv gleichzeitig steuern und leistungen betrachtet, kommt man durchaus zu einer ausgewogenen gesamtbilanz ohne extreme.

auf der rückfahrt an den flughafen unterhalte ich mich erneut mit dem chauffeur über die seelenlage der nation. die steuern sind hier kein aktives thema mehr; denn da reagiert man auf nachfrage mehr mit fatalismus. dafür begeistert ihn jede schwarz-rot-gold-fahne, die aus freudiger erwartung über den anstehenden weltmeister im fussball auf den autos aufgepflanzt ist.

das ist immerhin ein trost für entgangene steuersenkungen, bis auch dieser traum platzt …

stadtwanderer
(in düdorf)

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert