warum mein systemvertrauen diese woche so erschüttert wurde

heute ging es in der arena um den gpk-bericht zum krisenmanagement des bundesrates. hier meine gefühle und gedanken als teilnehmer.

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der bundesrat 2010, schwer kritisiert. nicht mehr drauf, pascal couchepin, bundespräsident im ominösen jahr 2008

die optiken
bei einer sendung dabei zu sein, und sie als zuschauer anzusehen, ist immer anders. das hat zunächst mit unterschiedlichen empfindlichkeiten zu tun. live-sendungen haben das kribbelnde an sich, dass man nie weiss, was kommt, und wenn es kommt, es nicht mehr rückgängig machen kann. als zuschauerIn mag einen gerade das freuen, als beteiligter ist das einer der stressmomente.

zudem weiss man in einer sendung wie der arena nicht immer welche kamera gerade aktiv ist, wo geschnitten wird, und welche eindrücke über die flimmerkiste gehen. das sieht man immer erst nachher. dafür hört man bildschirm nicht alles. zum beispiel die zwischenrufe aus dem publikum, oder eine randbemerkungen unter den teilnehmenden. denn wenn wo kein mikrofon ist, ist auch kein öffentlicher ton.

die heutige arena-sendung zum gpk-bericht
über den gkp-bericht zu debattieren, der diese woche vorgestellt worden war, war sicher spannend, und es hatte auch viele themen, die behandelnswert waren. die grosse kontroverse war, ob es sich beim offensichtlich schlechen krisenmanagement des bundesrates in sachen ubs und bankgeheimnis um ein persönliches versagen handelt oder um ein institutionelles problem.

markus somm von der „weltwoche“ neigte am klarsten ersterem zu. das erstaunte umso mehr, als man sonst gerade in seinen kreisen, starke politiker mag, und die wahl von hans-rudolf merz ende 2003 ausdrücklich begrüsste hatte. tmmerhin, der stv des cheredaktors hatte die grösse, vor laufender kamera zu, das sei damals eine ideologisch gefärbte fehleinschätzung gewesen.

persönlich weiss ich aus meinen kontakten in die wirtschaft, auch in die lokalpolitik im appenzellischen, dass selbst in fdp kreisen bundesrat merz nicht unumstritten ist. der verkauf der kantonalbank an die ubs löste bei vielen irritationen aus, die nachhallen. und seine alleingänge waren eingeweihten schon länger bekannt. der unternehmensberater hatte sich als nummer 2 hinter oder vor einer grossen nummer 1 gut gemacht. im verbund zu entscheiden, war aber nie sein ding gewesen. das wusste seinerzeit auch die fdp, die ihn als parteipräsident ablehnte, als bundesrat aber empfahl.

das alles lässt muster erkennen, dass man das durchwursteln zum prinzip erhob und entsprechend mehr wie in einer pfadi-übung denn wie in einem politischen gremium die ubs-krise richten wollte. als es dann am 20. september nicht mehr anders ging, und bankenaufsicht wie nationalbank beim bundesrat vorsprach, brach es dem finanzminister im wahrsten sinne des wortes das herz. nur einen tag später lag er, lebensgefährlich getroffen, mit einem herzstillstand im koma.

das alles berüht und macht die menschliche dimension im staatsversagen durchaus sichtbar. und dennoch halte ich es weniger für eine personelles, denn ein einstitutionelles problem. warum? – unsere bundesräte werden in einem komplexen verfahren gewählt. wer die wahl besteht, hat als einzelfigur glück gehabt, vertritt aber einen parteien, einen kanton und eine kultur im bundesrat. diese sind zwischenszeitlich so ausgeprägt unterschiedlich, dass das für ihr handeln als departementschef durchaus von vorteil ist, für den bundesrat als bundesregierung aber von nachteil. das zeigt sich in krisenzeiten drastisch, denn da wir das systemversagen am deutlichsten sichtbar. es wird auch klar, das die mittelerfolgreiche einzelkämpferInnen in keiner art und weise mehr zusammenpassen, sich zusammenraufen können, und miteinander kooperieren wollen. ein ungeordneter aktivismus des jeweiligen präsidenten – hiess er couchepin oder merz – machte sich dafür bemerkbar, den nichts zur ordnung, viel aber zu unordnung im bundesrat beitrug.

diese woche hat es bei mir wirklich klick gemacht. ich habe bisher das vielparteiensystem in der bundesregierung verteidigt. ich habe der repräsentation den vorrang vor der leistung gegeben. ich habe die freiheiten, welche die einzelnen mitglieder in ihren departementen hatten, eher als vorteil gesehen. doch jetzt ist meine meinung gekippt. die politische ausrichtung des bundesrates als kollegium muss klarer und homogener werden. die führung muss generell verbessert werden. wer mitglied des bundesrates ist, muss eine seine partei einbinden können, ohne zum partei- und interessenvertretung zu verkommen.

ich befürworte immer mehr die wahl eines kollegiums aufgrund von konkurrierenden listen, die aus den parteien zusammengestellt werden, die kooperieren wollen. ich befürworte auch einen bundespräsidenten oder eine bundespräsidentin in ihrer mitte, die auf vier jahre gewählt wird, und kein departement mehr, sondern die regierung führt. und ich befürworte die flexibilisierung der sitzzahl im bundesrat, damit die personen, die gewählt wurden, verantwortung tragen, und nicht den kopf in den sand stecken, wenn das land unter druck ist.

die nachbetrachtung

nach der arena-sendung gibt es immer noch einen kleinen steh-lunch. zuschauerreaktionen können eingefangen werde, und die beteiligten können sich noch dies und das sagen, ohne dass es immer gleich alle erfahren. das hat auch seine gute seite. die kritik lautete kurz zusammengefasst: gefällige sendung, themenreich, mit ziemlich viel schwung. die politikerInnen, in die zweite reihe verdrängt, mussten sich wehren zu wort zu kommen, und sie taten das auch. emotionaler crash war die kurze, aber heftige debatte zwischen den nationalräten schlür (svp) und tschümperlin (sp). schade nur, wurde auch gesagt, dass man das, was da dahinter ist, nicht analysieren kann. bemängelt wurde zudem, dass wir nicht explizit über den brandstifter gesprochen haben, mehr über die feuerwehr, und was die alle nicht kann. sicher muss man den urheber der krise, die ubs, noch genauer verhandeln.

und für alle, die es noch nicht wissen: die arena-sendungen sind live-aufzeichnen. das geschehen läuft wie man es sieht ununterbrochen ab. doch es wird um 18 uhr aufgezeichen, aber erst um 22 20 gesendet. do kann man als beteiligter über etwas bloggen, das man eigentlich noch gar nicht sehen konnte. irgendwie doch schräg.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

8 Gedanken zu „warum mein systemvertrauen diese woche so erschüttert wurde“

  1. Deinen obigen Beitrag lese ich später, nun schaue ich zuerst mal die Arena, die ich eigentlich gar nicht sehen wollte, denn offiziell war ja der Blocher angesagt. Und wo Blocher draufsteht, schaue ich nicht rein. Aber auf Deine Gegenwart freue ich mich schon.
    Nun muss ich mich sputen, denn es hat bereits begonnen.

  2. Und bereits schon wieder hab ich abgestellt.

    Das Reingeschnurre von Regula Stämpfli ist nicht auszuhalten. Genau wegen diesem Dreingeschnurre schaue ich die Arena nicht mehr, wenn Blocher dabei ist.

    Lese lieber Deinen obigen Bericht, da hab ich vermutlich mehr davon, ausser die Buchstaben versuchen alle miteinander auf mich einzureden.

  3. ok, eine ab- und zuschauerin mehr.
    zur blochergeschichte.
    er wollte nur mit bipolar mit levrat auftreten. die fdp hätte er im hintergrund geduldet, die cvp nicht mehr. mit der will er nicht mehr reden. das etwa war heute abend zu erfahren. der chefredaktor hat entschieden, dass alle vier grossen parteien vorne vertreten sein müssten. dann sagte blocher ab, und im gefolge auch alle anderen angefragten aus der svp.
    gestern abend gabs dann den schwenker zur expertenrunde, und die parteien konnten, wenn sie wollten, jemanden für die zweite runde bestellen. das haben denn auch alle grösseren parteien gemacht, ausser der bdp und der glp.
    so kam die runde zusammen. für alle ein wenig überraschend. das schadet der dynamik der sendung sicher nicht.
    siehe auch: http://www.blick.ch/news/schweiz/politik/darum-lud-sf-die-politiker-wieder-aus-148328

  4. Von wegen bloggen bevor gesendet: Der Bundesrat könnte das ähnlich machen, das heisst, er schreibt die Protokolle seiner Sitzungen bereits im Voraus – statt gar nicht…

    Die Blocher-Geschichte oben ist bezeichnend fürs Geschehen auf unserer Politbühne. Das ist – mit Verlaub – ewig müssiges Kindergarten-Zeugs, das sich zu allem hin noch mit einer gewissen Regelmässigkeit wiederholt. Kindergärtnern würde man sagen: Reisst Euch endlich am Riemen!

    Gegenüber Politikern darf man das natürlich nicht sagen. Aber Bundesräte darf man als Nieten bezeichnen, währenddem andere vom Mangel an Respekt vor dem Amt sprechen…

    Zur so genannten Expertenrunde: Von Experten erwarte ich eigentlich immer eine sachliche Argumentation, alles andere erscheint mir eher suspekt, insbesondere wenn praktisch ausschliesslich mit lautstarker Stimme gesprochen wird. Sachliche Töne kam von der rechten Bildschirmseite her.

    Zum Inhalt: Es war schon etwas ein Themen-Bazar. Da wurden so viele unterschiedliche und wichtige Punkte angesprochen, die eigentlich eine eigene Sendung verdient hätten. Das vermag eine «Arena» nicht abzudecken.

    Das Hauptthema an sich, der GPK-Bericht, war für die meisten Zuschauer wohl auf zu hohem Niveau. Was da genau drin steht und was davon zu halten ist, dürften wohl die wenigstens wissen. Und wer liest schon die 370 Seiten?

  5. bloggen bevor gesendet – passt ja gut zu bern – die ja langsam sein sollen – alles ist relativ.

    aber alle teilnehmerinnen der arena sollten, nach der sendung, über das geschenhene berichten, dann müssten sie den anderen auch zuhören. was auch der diskussion gut täte.

  6. die idee ist gut, nicht selten ist mir schon aufgefallen, dass die diskussionen nach der sendung besser waren als während. der stress, in 30 sekunden allen nötige gesagt zu haben, ist weg, und auch der zwang, vor der publikumskamera, klar position zu beziehen auch.

  7. als hätte es vor 200 jahren die idee von exekutierfreudige ceo’s nicht auch schon gegeben. trotz- oder wegen: es heisst: bundesRAT.
    erinnern – gedenken – erneuern
    die konkordanz zu opfern, weil ceo’s auch noch den staat wie eine zitrone auszupressen verstehen: diese argumentationslinie von dir hat mich überrascht!

  8. in der tat, diese woche hat sich was bewegt. sie ist aber nicht mein eigentlicher auslöser. vielmehr bin ich in den letzten beiden jahren skeptischer geworden, was das funktionieren des bundesrates betrifft.

    so ursächlich, wie du das meinst, ist es nicht, und so klar, wie du es schreibst auch nicht. habe mich noch etwas deutlicher auszudrücken versucht; sie hier:
    http://www.zoonpoliticon.ch/blog/9488/die-regierungsreform-tut-not/
    was stimmt, ist, dass ich einen i-punkt auf ein schon länger vorbereitetes i gesetzt habe!

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