der sturz des königs der tiere

das erste buch, das ich meinen ferien im nordischen holzhausen gelesen habe, ist die grossartige kulturgeschichte zum verhältnis des menschen und des bären, die es bis in harvard-press geschafft hat, bei uns (in bern) bisher aber kaum wahrgenommen wurde.

xals im juli 1969 neil armstrong mit seinem apollo-team zur ersten erfolgreichen mondlandung aufbrach, hatte er einen bären dabei – keine leiblichen selbstredend, aber einen teddybären!

michel pastoureau, französischer spezialist für die geschichte der symbole des europäischen mittelalters, nimmt das „als Zeichen einer sehr langen Geschichte zwischen Mensch und Bär, die auf dem Mond, an der Schwelle zur Ewigkeit, fortgesetzt wird.“

2007 hat der pariser professor ein bemerkenswertes buch über eben diese kulturgeschichte herausgebracht. in de debatten der archäologie, ethnologie und religionswissenschaften zum bär als erstem gott der menschen mag sich der historiker nicht wirklich einmischen. für ihn ist aber klar, in europa war der bär lange zeit der könig der tiere, analog dem löwen in asien, dem elefanten in afrika und dem adler in amerika.

die anfänge dieser tradition sieht in griechenland. artemis (die zwillingsschwester von apollo), ist seine zeugin. in arkadien, dem „land der bären“, war sie nicht nur die göttin der jagd, sondern auch des mondes, des waldes, der berge und der wilden tiere. die mythologie, die um sie entstand, ist nach pastoureau durch die drei verhältnisse gekennzeichnet, die es bei jagenden völkern gegenüber dem bären gibt: durch die verwandlung von menschen in bären, durch die mütterliche bärin, die verloren gegangene kinder aufzieht, und durch den bär als monster, der jungfrauen verführt.

in unseren breitengraden galt der bär lange als unser nächster verwandter – als mensch im fell quasi. seine physiognomie gleicht dem den menschen, wie dieser kann der vierbeiner aufrecht gehen und nutzt er die ganze sohle, wenn er geht. doch nicht genug: er kann schwimmen, rennen, klettern, springen und tanzen, genauso wie wir menschen auch.

im hohen norden, wo es heute noch bärenkulte gibt, ist diese symbiose besser spürbar: nicht nur ist die verehrung des raubtieres im alltag der naturvölker fest verankert geblieben; in der geschichte dänemarks, norwegens und schwedens haben sich könige immer wieder als nachfahren des bären verstanden.

das hat sich in kontinentaleuropa ins umgekehrte gewandelt. pastoureau sieht im römischen historiker plinius dem älteren und im kirchenvater augustinus die frühen feinde des königs im tierreich. als eigentlichen übeltäter denunziert wird jedoch karl der grosse. während seiner feldzüge gegen die sachsen liess er nicht nur heilige bäume fällen, magische steine versetzen, nährendes quellwasser umleiten und traditionelle orte mit christlichen kapellen bebauen, um die heidnischen bräuche auszurotten, nein, er hatte es auch auf den bären als krafttier der besiegten völker abgesehen.

in seinem buch „Der Bär. Geschichte eines gestürzten Königs“ entwickelt passtoureau die these, dass mit der christianisierung zwei strategien zu vernichtung entwickelt worden sind: die treibjagd im wald und die hetzjagd in der literatur. der kulturelle kampf gegen den bären interessiert ihn besonders: denn da wird er im hochmittelalter in raten bekämpft, gezähmt und erniedrigt.

angefangen hat das in frankreich, von wo der bär schon früh verdrängt wurde, in die pyränäen, die alpen und den hohen norden. symbolisch nachgezeichnet werden kann diese nach dem heraldiker pastoureau anhand des aufkommens von wappen im 11. jahrhundert. Speziell mit den kreuzzügen setzte sich in europa die vorherrschaft des löwen als zeichen der macht und als könig der tiere durch.

wenn bern (wie berlin) bis heute dagegen hält, ist dies in diesem gelehrsamen buch ein zeugnis für germanische traditionen, die in gebieten, die erst im 12. jahrhundert erschlossen wurden, länger erhalten blieben, ja bis heute nachwirken. Knut, der weissbär, und finn, der braunbär sind beredete zeugnisse daf^ür.

andernorts setzte sich schneller durch, was im ausgehenden mittelalter allgemeingut wurde: der bär wird aus dem wald gezerrt, in den werdenden städten auf den marktplätzen angebunden und domestiziert im zirkus aufgeführt, um ihn letztlich zu verspotten.

seine ehrenrettung findet der bär seither in den fantasien der herrschenden, den museen der naturkundler und als teddybär im kinderzimmer. von wo er als rache bis auf den mond schaffte!

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aquavit

sollte dir ein essen einmal nicht bekommen, gibt’s nur eines: einen aquavit trinken. im norden geniesst man die spirituose aber auch so, als getränk zum wohlbekömmlichen einheimischen essen.

xmas_janssonsder name sagt eigentlich alles. aquavit heisst auf deutsch nicht weniger als lebenswasser. weil es gut schmeckt, stark ist, und einen auch bewegt. ein wenig wie die lebenskräuter im lebkuchen, nur flüssig.

der alkoholgehalt des aquavit beträgt 40 prozent. das feuert einen schon mal kräftig an. verfeinert wird das getränk durch die beigemischten gewürze. allen voran kümmel – aber auch anis und fenchel. ersteres muss beim nordischen lebenswasser vorherrschend sein.

zuhause würde ich fencheltee trinken, wenn mit ein essen nicht bekommen wäre. in schweden kippt man einfach einen – oder auch zwei aquavit aus dem schnappsglas hinten nah.

anis erinnert mich unweigerlich an frankreich. nur schon in gedanken liegt ein hauch von pastis, einer bar und paris in der luft. die vorstellungen sind auch in holzhausen verführerisch.

doch damit nicht genug. aquavit ist der wohl beliebteste schnapps im norden. getrunken wird er von den einheimischen zu muscheln, räucherlachs und gereiften käse.

marktleader in schweden ist der aquavit von o.p.anderson. die marke gibt es seit 1891. das wasser dazu auch. neu auch mit bio-zutaten.

kaufen kann man den anderson vor allem in dutyfree shops an flughäfen oder in zollfreiläden in schiffen. das habe ich auch diesmal bei der anreise nicht ausgelassen, und ich werde mir auf der heimreise einen kleinen vorrat für die zeit in hinterkappelen anlegen.

skal!

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