ein jahr vor den parlamentswahlen …

… werde ich sicher nicht sagen, wer gewinnt und wer verliert. gedanken mache ich mir aber, in welchem klima die wahlen stattfinden werden.

Tagesschau vom 24.10.2010

die finanzmarktkrise hat die welt geschüttelt. globale krachten banken in sich zusammen, wirtschaftszahlen brachen weltweit ein, die arbeitslosigkeit stieg allenthalben, die verschuldung der staaten nahm vielerorts zu, und steuererhöhungen werden von zahlreichen regierungen erwogen. auch wenn das alles in der schweiz gemässigter ausfiel, als dies weltweit der fall, ist dabei vieles zerbrochen, was vielen wichtig war: die ubs war nicht mehr garant für stabilität, vielmehr bedrohte sie diese; dem bankgeheimnis wurde die grundlage entzogen, und die managermoral in den internationalen firmen wird vom einheimischen gewerbe und unternehmertum offen in frage gestellt.

gleichzeitig ist unser bewusstsein für gesellschaftlichen konfliktlagen sensibler geworden, denn viele menschen fühlen sich heute unsicher: die migration wird kritischer beurteilt, die schwäche der fast inexistenten integrationspolitik wird klarer benannt, kulturelle entfremdung angesichts neuer alltagskonflikte im öffentlichen raum wird zum thema, überhaupt, das zusammenleben verschiedener konfessionen wird problematisiert. gleichzeitig gibt es verbreitete klagen über die zersiedelung, den kulturlandverlust, und den drohenden kollaps im öffentlichen und privaten verkehr. die öffentlichen finanzen bleiben beschränkt, bildungsoffensiven werden immer seltener und verlaufen immer häufiger im wirrwarr der einzelninteressen, der lange geforderte umbau der sozialwerke ist umstritten, während die krankenkassenprämien ungebremst nach oben schnellen.

das alles heisst nicht, dass wir unsere positive einstellung zur schweiz verloren hätten. mitnichten sogar! genauso wie in vielen europäischen ländern hat auch bei uns der nationale reflex an bedeutung gewonnen. der wunsch nach eigenständigkeit ist wachsend, wenn schon in wirtschaft und kommunikation nicht mehr möglich, dann wenigstens in kulturellen und politischen fragen. die gefährdung kommt aus dem ausland, die lösung liegt im inland. wirtschaftlicher protektionismus, gesellschaftlich kälte und nationalistische frontstellungen haben vielerorts zugenommen. typisch schweizerisch ist es, dass sich das auch auf das zusammenleben der sprachkulturen nachteilig niederschlägt und politische blockierungsgefühle überhand nehmen. gleichzeitig sind immer weniger institutionen in der lage zu vermitteln und gemeinschaftsbildend zu wirken. und massenmedien neigen dazu, das alles zu überzeichnen, um mit der krisendiagnose der eigenen krise entrinnen zu können.

das gemisch, das so entsteht, ist explosiv. der zorn der zeit kann sich daran fast überall entzünden. auch wenn dieser hie und da berechtigt ist, ist er kein guter ratgeber für die unmittelbare zukunft. für diese braucht es ein gemisch aus sensibilität für neue gesellschaftlichen konfliktlagen einerseits, kühlem blut, dort veränderungen einzuleiten, wo sie nötig ist, ohne dabei in hysterie zu verfallen. denn das, was die schweiz ausmacht, ist die zuversicht, für probleme lösungen zu finden, die nicht ideal sind und nicht alle befriedigen, dafür pragmatisch sind und schnell einmal wirken. und genau darauf kommt es an: ob wir die zukunft schwarz oder weiss sehen.

so hoffe ich, dass die klagen auf hohem niveau nicht unterdrückt werden, aber auch nicht überhand nehmen, weil die angst vor der zukunft so zum thema, wird das sie sich produktiv auf die politik und die sicherheit der menschen in diesem land auswirkt.

rendez-vous in einem jahr!

stadtwanderer