suchrätsel alpenstädtchen

das alpenstädtchen, um das es hier geht, liegt in den südlichen alpen. den namen muss man selber herausfinden.

P7080032alles ging schnell: der röschtigraber erriet sofort, dass es um chiavenna geht. hier das castell, dreh- und angelpunkt bei den eroberungen der italienischen gebiete durch die drei bünden nach 1512 (foto: stadtwanderer)

die berghänge rund herum sind steil. die meisten von ihnen bewaldtet, nur hie und da ragt der fels heraus. dennoch überragen sie das alpenstädtchen, denn es liegt, wie man auf dem bahnhof lesen kann, auf nur 332 metern über meer.

der heutige julitag ist heiss. man könnte meinen, die luft stehe stil. wenn der autoverkehr nicht zu laut ist, hört man sogar die grillen, die im park mit der freiheitsstatue vor dem bahnhof zirpen. diese erinnert an das ende des krieges , heute bietet sie vor allem den vowitzigen spatzen günstige landemöglichkeiten.

aus der einfachen bar, wo es einen starken espresso gibt, der einem an die türkei erinnert, dröhnt das lokalradio. die männerstimme spricht schnell und erzählt die lokale bedeutsamkeiten. wenn die meist schrille werbung ertönt, sprechen auffällig oft frauen. ganz offensichtlich ist das hier wichtig. in der vorstellung sieht man unweigerlich eine blondin vor sich, die zur werbestimme gehört.

vom bahnhof aus erblickt man die strasse, die auf den nahegelegenen stadtplatz mit dem rathaus und der volksbank führt. links sind wohnquartiere, die bürgerhäuser sind maximal zweistöckig, die wohnsilos der einfachen einwohner, die schon mal bis in die fünfte etage reichen. zur rechten hand ist die kirche. alle halb stunden werden die die glockengeschwungen, die in verschiedenen eher dumpfen tonlagen den takt der zeit angeben.

ihre letzte zeit verbringen die älteren männer vor dem bahnhof beim rauchen und diskutieren. die fussballmeisterschaft ist das hauptthema. das aus von frankreich, italien wird immer noch diskutiert. und wie die spanier gestern deutschland aus dem turnier gekickt haben. die geldanlagen in den grenznahmen schweizrbanken folgen als gesprächsstoff auf den fuss. steueramnestie der regierung hin oder her.

ja, wir sind nicht mehr in der schweiz, auch wenn uns das postauto bald zurückfahren wird. vielmehr sind wir in einem grenzstädtchen, wo zwei berühmte alpenüberquerungen auf dem weg nach süden zusammen kommen. schon den römern waren sie bekannt, genauso wie der ort. im mittelalter wanderte hier schon mal der kaiser vorbei, meist frendlich empfangen, gelegentlich mit der militärsperre quer durch das tal bedrängt. friedrich barbarossa soll sich hier schon für geraume zeit aufgelaten haben.

noch gibt die katholische kirche den takt vor, auch wenn rom weit weg ist. zur säkularisierung trug napoléon vor gut 200 jahren wesentliches bei, als er die klöster schloss, um dem bürgerlichen leben zum durchbruch zu verhelfen. schliesslich war auch er es, der es von einem unserer zugewandten orte trennte, die 1512 das örtliche castell zerstörten und das tal zu untertanen machten. 1797 war diese episode zuende, und die orientierung nun nach süden begann sich wieder zu entwickeln.

schade, denke ich mir, als südliches alpenstädtchen mit gutem wein und starken skifahrern hätte sich in der schweiz ganz gut gemacht.

die frage ist, welches ist es nur?

stadtwanderer

thomas maissens schweizer geschichte

ein buch, betitelt mit “geschichte der schweiz” überrascht nicht unbedingt. davon gibt es schonn genug. wirklich ansprochen wird man auch nicht, wenn es rot eingebunden ist und darauf das weisse kreuz prangt. denn das ist das mindestes, was man unter der überschrift erwartet.

CameraBag_Photo_1009grüner tisch, brauner fleck, rotes buch (foto: nathalie wappler)

wenn der autor thomas maissen heisst, dann schaue ich jeodch schon genauer hin. denn erstens gibt es von diesem autor noch keine gesamtdarstellung der schweizer geschichte. und zweitens bin ich gegenwärtig mit thomas “hilfsmoderator” in den “sternstunden geschichte”, die wir unter der leitung von roger de weck aufzeichnen.

genau hierfür hat man das buch mitgebracht. erschienen ist es zwar noch nicht, geschrieben sei es aber, versichert der autor. im einband, den er uns zeigt, steckt einanderes buch, vom gleichen verlag. gründungszeit ohne eidgenossen heisst es, geschrieben vom kürzlich verstorbenen roger sablonier.

was wir vor uns haben, ist also ein fake.

doch eine ganz nützliche fälschung, füge ich bei. denn die sendung über souveränität und neutralität, die wir in der bibliothek des palazzo castelmur aufzeichnen, findet an einem kleinen lesetisch statt. ganz in grün ist er gehalten, leider an dümmster stelle mit einem braunen flecken. denn kriegte die vorbereitungsequipe einfach nicht weg. und eine alternative sitzgelegenheitheit hatten wir. so blieb uns nichts anderes übrig als das buch genau über den braunen flecken zu legen.

eine tolle werbung, die man da eine stunde lang für das buch macht, das noch gar nicht erschienen ist, bei der ausstrahlung der sendung im september 2010 aber sicher verschiedene ankündigungen erleben wird!

natürlich kann man darüber spekulieren, ob in den bestehenden schweizer geschichten flecken brauner farbe übertüncht wurden. ohne zweifel war die nationalgeschichtsschreibung diesbezüglich früher blind. bei thomas maissen nehme ich das jedoch nicht an.

der lhistoriker aus dem bündnerland, lange als nzz-redaktor in zeitgeschichtlichen themen aktiv, heute professor für geschichte in heidelberg mit studienaufenthalt in princeton in den usa, ist eine moderner mensch mit vielleicht etwas konservativen vorstellungen. das schwergewicht seiner forschung liegt in der frühen neuzeit, der epoche also, in der die religionskriege die entwicklung der schweiz blockierten. er beschrieb sie seiner habilitation meisterlich, ging den souveränitätsvorstellungen in theorie und praxis nach, zeigte, wie der souverän in monarchien mit dem starken könig übereinstimmt, der über den konfessionellen parteien steht, während er in republiken wie der schweiz als volkssouverän entsteht, dessen allgemeiner und spezieller wille zur richtschnurr der politischen parteien wird.

dabei ist thomas maissen, der einen schweizer vater und eine finnische mutter hat, alles andere als historiker der dem schweizer sonderfall nachtrauert. liberale gestimmt, ist seine sichtweise auf die schweiz offen. ihre geschichte ist teil europäischen geschichte, ohne die gar nicht denkbar. denn es sind die verarbeitungen der speziellen konflikte, wie der regionalismus, der konfessionalismus und der sprachenfrage, die der modernen schweiz das geprägte als früh industrialisiertes, ebenso so früh auf dienstleistungen im finanzbereich ausgerichtetes land gegeben haben, sodass die topgrafischen nachteile kompensiert werden konnten. mit föderalismus, direkter demokratie und sozialpartnerschaft sind formen der überwiegend gütlichen konfliktregelung entwickelt worden, die dem land mehr vor- als nachteile gebracht haben,

interessant vor allem seine klar betonung, das 1848 nicht nur ein liberal geprägter bundesstaat gegründet worden sei, sondern ein bruch mit der tradition stattgefunden habe, der revolutionären charakter hatte. ganz bewusst habe man mit der vergangenheit gebrochen, denn diese vergangenheit sei nicht mehr in der lage gewesen, auf die veränderten wirtschaftlichen, gesellschaftlichn und politischen umständemitte des 19. jahrhunderts angemessene antowrten zu geben.

nach 4 stündigen sendungen letztes und dieses jahr sind wir zum eingespielten team in der erzählung der schweizer geschichte fürs tv-publikum geworden. umso gespannter bin ich, wie thomas maissen seine sicht der dinge zwischen die zwei schon bestehenden buchdeckel bringen wird- und womit er uns alle überraschen könnte!

stadtwanderer