das unsterbliche nachleben

eigentlich ist es ein trauriges buch, denn es handelt vom tod. doch ist es wunderbar gemacht, dass man sich darüber dafür interessiert. gerade weil es nicht nur eine dokumentation der ruhestätten auf schweizer friedhöfen ist, sondern auch eine fundgrube der kultur, wie wir mit prominenten umgehen, die uns verlassen haben.

imageshanspeter buholzer, 52, ist basler, der im emmental lebt. in seiner selbstbeschreibung hält er simpel fest, schneekugeln zu sammeln. und seit seiner jugendzeit gräber bekannter personen im in- und ausland aufzusuchen. die fotos, die dabei entstanden, hat er nun zu einem dezent-schönen buch zusammengestellt. tief schwarz, wie es sich in ehrfurcht vor den toten geziemt, sind die seiten. in unschuldigem weiss sind nur die knappen texte, die, soweit nötig, uns an die menschen erinnern, die uns verlassen haben, aber immer noch hier sind.

bei niklaus von der flüe, jean calvin und jürg jenatsch ist klar, dass sie tot sind. bei andern zuckte ich zuerst zusammen, denn ihr ableben war mir entgangen. zum beispiel bei peter brogle, dem schauspieler, monika morell, die sängerin, oder gianpietro zappa, den fussballspieler. klar war mir, dass der russische revolutionär michail bakunin in bern begraben liegt, der spanische schriftsteller jorge luis borges in genf ruht, und charlie chaplin am genfer see seinen frieden gefunden hat. beim deutschen naturwissenschafter und buchautor georg büchner war ich dagegen überrascht zu erfahren, dass sein grab in zürich liegt, ebenso dass das von coco chanel in lausanne ist oder das von audrey hepburn im beachbarten tolonchenaz.

einige gräber hätte der buholzer wohl gerne fotografiert, aber sie sind der allgemeinheit nicht zugänglich. das von friedrich dürrenmatt in neuenburg gehört dazu, ebenso wie das von germain de stael in coppet. niklaus meienberg wiederum lebte und starb in vollen zügen in der schweiz, seine asche jedoch schwimmt in der seine. und die von mäni weber reinigte die rütli wiese vor unkraut. brigadier jean-louis jeanmaires überreste nach der kremation sind verwehte der wind, der über den simplon pfieft.

von huldrich zwingli findet man gar nichts mehr. sein leichnam wurde nach der schlacht von kappel achtlos verbrannt. dällebach karis grab wiederum wurde ganz einfach aufgegeben, und wo adrian von bubenberg begraben liegt, hat nicht einmal der spezialist für solche fragen herausgefunden. dafür weiss man, dass getrud von hohenberg, die erste frau von könig rudolf von habsburg, in basel ihren grabstein liegen hat, selbst wenn sie, entgegen ihrem letzten willen, heute in st. paul in kärnten begraben ist.

auffällig ist der grabsteine von reynold tschäppät – in seiner form und grösse erinnert er an den legendären stadtpräsidenten von bern. wie der des individualisten jean tinguely in neyruz aussieht, kann man sich vorstellen, selbst wenn man ihn nicht gesehen hat. das gilt auch für den von robert lips, dem legendären zeichnet von globi. und albert hofmann, den erfinder von lsd, hat gar keinen. ein baum steht da, wo er ruht, und den grabstein dazu kann man sich in allen farben und formen selber vorstellen.

schrecklich ist das monument auf dem grab von general herni guisan, dem schweizer feldherr im zweiten weltkrieg. wunderbar dafür dafür die gedankliche und sichtbare erinnerung an willy ritschard, dem solothurner arbeiterbundesrat. und am traurigsten in diesem traurigen buch ist das von mileva einstein in zürich. die frau der berühmten nobelpreisträgers, die am schluss ihres lebens arm und einsam in zürich starb, hat gar kein grab mehr. es wurde ganz einfach eingeebnet. dem sonst so unsterblichen nachleben eines menschen in symbolischer form wurde damit ganz einfach ein ende gesetzt.

wer das gerne alles sehen möchte, dem empfehle ich ohne jede einschränkung das einzigartige kulturgeschichtliche werk “immortalis”. oder wanderungen auf den friedhöfen, die einem dadurch so ungewöhnlich nahe gebracht werden.

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