die grüne fee in der weihnachtsschokolade

was für eine tolle weihnachtsüberraschung das war: pralinés mit absinthefüllung von chocolat frey, erstanden in der migros. deshalb mache ich hier ein wenig werbung, für die trouvaille aus dem dutti-laden, der sich zu seinem produkt in bände beredeten schweigens hüllt.

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mystischer gehts nicht! der deckel der schachtel ist in verschiedenen grüntönen gehalten. das logo zeigt eine wohl nur leicht bekleidete frauengestalt im aufbruch und weckt assoziationen zur grünen fee. eine sternschnuppe aus dem dunkel einer gasse erhellt den punkt, bei dem man mit lesen beginnen soll: “absinthe” steht in schwungvoller schrift über allem. das kleingedruckte erläutert, gut schweizerisch in drei sprachen, was man in den händen hält: pralinés mit mystischer absinthefüllung.

in der tat schmecken die kleinen schoko-würfel mit grüner verzierung köstlich. es ist, als würde man in einem erlesenen kräutergarten wandern: der fenchel legt die basis, anis mischt sie auf, und wermut verfeinert den duft in der nase. genau das ist absinth, französisch absinthe, ein starkes alkoholisches getränk, seit den alten griechen umrankt von zahllosen geschichten.

fast macht es den eindruck, die migros wollte von diesen erzählungen am liebsten gar nichts wissen, als sie die spezialität ins gestellt reihte. denn via internet findet sie nicht einmal auf der produkteliste. und genau gleiches widerfährt einem, wenn man bei chocolat frey virtuell stöbern geht. mit gutem grund vielleicht: denn die hochprozentige spirituose in den schokolade passt gar nicht ins bild, das man sich vom dutti-laden mit leicht sozialem touch macht. gemeinhin dominiert da die vorstellung, dass kein alkohol über die schwelle einer filiale mit dem orangenen “m” geht.

und bei absinth ist das gleich doppelt anrüchig. denn der schnaps aus dem neuenburgischen val-de-travers ist erst seit dem 1. märz 2005 überhaupt wieder legal erhältlich. vorher war er fast ein jahrhundertlang verboten. eine volksabstimmung 1908 hatte das schicksal des populären kräutergetränks entschieden. der konsum des safts der grünen fee wurde mit dem willen von 64 prozent der stimmenden innerhalb der landesgrenzen verboten. per bundesverfassung! und mit klarem kopf …

das ergebnis des volksentscheides war durch einen tragischen mordfall in der waadtländer gemeinde commugny beeinflusst. weinbergarbeiter jean lanfray, ein starker alkoholier, hatte am tag, als er seine schwangere frau uns eine beiden kleinen töchter in einem wutanfall ermordete, neben wein und branntwein auch zwei glas absinth getrunken.

die geschichte löste vielerorts eine öffentliche debatte über die gefährlichkeit von absinth aus, die zu einem verkaufsverbot zuerst in belgien, dann in halb europa und schliesslich auch in den usa führte. pastis, ein absinthsubsititut, liess sich allerdings besonders in frankreich nie verhindern, mit wasser stark verdünnt getrunken, ist es auch harmlos. doch erst in den 90er jahren des 20. jahrhunderts zeigten medizinische versuche, dass alle vermutungen von damals in sachen absinthe aus dem neuenburger jura nicht haltbar waren, sodass der konsum nach 1998 auf der ganzen welt wieder zugelassen wurde.

und via chocolat frey und migros fand die köstlichkeit sogar den weg bis unter unseren weihnachtsbaum 2009. und: ich kann diese leckereien nur empfehlen, und mache deshalb statt dem produzenten oder vertreiber die nötige werbung für die “pralinés mit mystischer absinthefüllung”, – ohne mir von der grünen fee den kopf ganz verzaubern zu lassen.

stadtwanderer