der putsch

es ist der 6. september 1839, heute vor 170 jahren. in zürich wird die liberale kantonsregierung durch die konservative landbevölkerung weggefegt. mit dem zusammenstoss macht ein neues wort geschichte: der “putsch”, eigentlich aus dem schweizerdeutschen, wird zum politischen begriff nicht nur in schweizer zeitungen, sondern auch im vielsprachigen ausland.

800px-zueriputsch_muensterhofder züriputsch vom 6. september 1839, dargestellt von martin disteli.

seit 1831 hatte der kanton zürich eine liberal-radikale verfassung, geprägt durch den geist der französischen juli-revolution von 1830. die bürgerlichen schichten in den landstädten hatten sie verlangt, um ihre vorstellungen von volkssouveränität gegenüber den aristokratischen gesellschaft und ihrer privilegien-politik durchzusetzen.

doch die landbevölkerung machte den wandel nicht mit. sie blieb konservativ und dachte unverändert religiös. der modernismus der bürgerlicher schichten war ihr suspekt. das galt vor allem für das treiben an der jungen universität in der hauptstadt. dort hatte der bürgermeister die wahl des liberalen theologen david strauss aus tübingen als professor für theologie durchgesetzt. den religionsunterricht an den volksschulen sollte er nun reformieren.

ein konservatives glaubenskomitee organisierte den widerstand in den gemeinden. strauss sagte ab, doch gärte es unverändert unter den bauern. und schon verstand sich das glaubenskomitee als konservative gegenregierung. da interventierte der liberale kanton bern, bot truppen auf, um den zürichern beizustehen. der zürcher regierungsrat lehnte dankend ab, konnte aber nicht mehr verhindern, dass sich das gerücht, fremde truppen seien unterwegs, um die einzig richtige religion auszurotten, wie ein lauffeuer im kanton zürich verbreitete.

«Vorwärts, wer ein guter Christ ist!» war der schlachruf des landvolkes, als es am sonntag, 6. september in scharen in die stadt zog. der eilends zusammengerufenen regierungsrat wollten die 2000 mann eine petition überreichen, um ihrer sorge über den zerfall der religion ausdruck zu verleihen. diese jedoch verschanzte sich, sodass sich die kontrahenten mit waffen gerüstet zwischen parade- und münsterplatz gegenüber standen. als die ersten schüsse fielen, eskalierte die lage. schliesslich bleiben vierzehn umstürzler und der regierungsrat, der die kapitulation überbringen sollte, tot liegen.

paul ziegler, der präsident der stadtgemeinde, versuchte zu vermitteln. eine provisorische regierung aus vier bisherigen und drei neuen wurde gebildet. der grosse rat löste sich nach tumulten selber aus, und innert 10 tages übernahm ein konservatives parlament die politischen geschicke des kantons. alle behörden des kantons wurden in ihrem sinne, aber gegen die verfassung neu besetzt.

der schriftsteller emil zopfi hat in seinem historischen roman “schrot und eis” den züriputsch ausführlich behandelt, und so das konservative zwischspiel in der liberalen regenerationszeit festgehalten. denn das septemberregime von 1839 hielt sich nur sechs jahre. 1845 übernahmen die liberalen die macht wieder. 1847 fegten sie gemeinsam mit den anderen liberalen und radikalen kantonen im sonderbundeskrieg den konservativen staatenbund aus den zeiten des wiener kongresses weg, sodass 1848 die schweizerische eidgenossenschaft, der heutige bundesstaat, auf freisinniger basis ausgerufen werden konnte.

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