ein kühlendes bier während einer hitzigen debatte

eine hitzige debatte war das heute. bei der sonntäglichen zeitungslektüre im kleinen, und in der alltäglichen politik im grossen. ich mischte mich (vorerst) nicht in den disput zwischen deutschland und der schweiz ein, trank mein kühlendes bier auf dem bundesplatz und machte mir gedanken für meine ausführungen hierzu morgen.

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“schweiz auf schwarz” vs. “leben in der steuerwüste”, zwei medienbilder aus der aktuellen politdebatte in deutschland und der schweiz, die emotionen wegen, pauschalisierung und kollektive diffamierungen wecken. interessenkonflikte einer lösung zuzuführen, wäre die aufgabe der regierungen, parlament und medien.

“gibt es einen rassismus gegen deutsche?”, lautete die frage, die sich ein artikel in den heutigen sonntagszeitungen stellte. die eidgenössische rassismus-kommission werde morgen darüber beraten. nicht nur, aber auch aus aktuellem anlass. meine beiden gegenüber geraten sich bei dem thema schnell ins gehege. für den einen ist klar, das gibt es nicht. für anderen ist ebenso deutlich, wenn es ihn gibt, ist er berechtigte. wegen denen da oben.

was meine beiden gegenüber nicht wissen: auch ich werde morgen ausnahmsweise an der kommissionssitzung dabei sein. “rassismus” werde ich sagen, “ist zu allererst eine übertreibung. eine form von ideologischem extremismus. er mobilisiert ganz bewusst emotionen. er diffamiert und diskriminiert andere, aus biologischen, ethnischen, religiösen oder nationalen gründen. er rechtfertigt unterdrückung und ausgrenzung von gruppen, die zu fremden gemacht werden. in seiner schlimmsten form legitimiert der rassismus die vernichtung von menschlichem leben aufgrund eben dieser gruppenzugehörigkeiten. rassismus muss man ernst nehmen. denn übertreibungen sind meist fehl am platz. sie werden deshalb nicht bekämpft, indem man selber übertreibt, sondern einsicht in den spirale ihrer entstehung gewinnt, um aus dieser heraus zu kommen.”

rassismen gab es in der geschichte viele. gegen andersfarbige, gegen andere völker. gegen andere religionen. und gegen andere nationen. rassismen tauchten immer dann vermehrt auf, wenn sich unsicherheit ausbreitete, zugehörigkeiten und nicht-zugehörigkeiten nicht mehr klar definitiert waren und die stimmung daraus politisch missbraucht wurde. denn dann bietet der rassismus eine einfache formel für ordnungen an, die er als natürlich ausgibt, weshalb sie, allenfalls auch rücksichtslos, durchgesetzt werden müssen.

diese ordnungen basieren in allen erscheinungsformen des rassismus als polarität zwischen dem eigenen und dem anderem. diese wird über alles andere gestülpt, wobei das eigene überschätzt und das andere für minderwertig erklärt wird.

diese hierarchie im denken ist es denn auch, die den rassismus gefährlich werden lässt, denn was herabgemindert worden ist, darf man bekämpfen, unterdrücken, ausgrenzen, ja vernichten. denn das individuum gilt nichts mehr, es ist bloss noch bestandteil des kollektiv,das wieder zum feind erklärt wird. rassismus ist damit ein teil politischer kulturen. er findet sich in institutionen, und zeigt sich bei menschen. niemand ist davor gefeit, weder im denken noch im handeln.

diese kürzestanalyse, die ich morgen ausgebaut vortragen werde. sie ist denn auch ein schema, um die gegenwärtige debatte zwischen deutschen und schweizern grundsätzlich zu diskutieren. das ist nötig, denn der gegenwärtige diskurs ist deplaziert, medial übersteigert und insgesamt abstrus. zwischen beiden ländern gibt es in steuerfragen interessengegensätze, deren regelung politisch angebracht ist. die vermengung dieses fakts mit einem identitätsdiskurs, wie das gegenwärtig der fall ist, ist weder zielführend noch hilfreich.

er blockiert nur. und genau deshalb gehört er beidseitig umgehend sistiert.

für das, was wir in den letzten tagen erlebt haben, tragen regierungen, medien und politikerInnen gemeinsam verantwortung. wegen und mit ihnen ist es entstanden, und durch sie gehört das ganze auch abgestellt.

die aufgabe der politik ist es, interessenkonflikte so zu lösen, dass allgemeinverbindliche regelungen entstehen. ihre aufgabe ist es nicht, billigen populismus mit der diskreditierung anderer politiker und die durch sie vertretenen staaten und menschen zu betreiben. sonst machen sie sich mitverantwortlich, rassismen zu wecken oder am leben zu erhalten.

soweit sind wir, glaube ich einigermassen gut belegt zu wissen, nicht. es gibt zwar eine erhebliche verstimmung in den staatlichen beziehungen insbesondere zwischen deutschland und der schweiz. emotionen wurden geweckt, hass wurde geschürt. verunglimpfungen im alltag kommen vor, aber kaum über das bisherige mass hinaus. diffamierungen durch verantwortungsträger jedweder art sind aber abzulehnen, denn sie bereiten,den bereich des rassismus vor, der höher- von minderwertigem hierarchisch scheidet, um dann zuschlagen zu dürfen. soweit darf es nicht kommen!

soweit ist es auch nicht. zwischen deutschen und schweizern gibt es eine vielzahl von gemeinsamkeiten, von interessen, die übereinstimmen, von verbindungen, die im wahrsten sinne des wortes wirken, sodass vorhandene unterschiede in der geschichte, in der gegenwart und in der zukunft nicht zu den dominanten begegnungsweise werden.

es ist unsere nachbarschaftliche pflicht, weitere eskalationen zu verhindern. gefragt sind jetzt die besonnenen kräfte. genauso wie das letztlich auch meine tischnachbarn machten, als sie sich den inseraten mit rabattaktionen zuwandten, und ich mich an meinem bier abkühlte.

stadtwanderer