trist im morgenrot (bundesratsbild 2009)

“Der Bundesrat entscheidet als Kollegium”, steht im artikel 177 der geltenden bundesverfassung. in die praxis übersetzt heisst das, dass man in der schweizer regierung für alles gemeinsam verantwortung trägt. keine ministerInnen sind unsere bundesräte, und kein ministerpräsidentInnen sind unsere bundespräsidentInnen. meint man.


offizielles bundesratsfoto für das jahr 2009

tempi passati, höre ich unter beobachtern immer wieder. für die einen gehören kollektive auf den scheiterhaufen der geschichte. leadership, führung in den eigenen dossiers, sei inskünftig angesagt. für andere sei der kuschelstil im bundesrat, dem man im ständerat noch nachhange, definitiv vorbei. gefragt sei heute klartext, wie man ihn im nationalrat vertrete. und schliesslich wisses man, dass wir seit neusten einen regierungssprecher haben. doch sei unklar, wessen regierungsprogramm er jeweils verkünden müsse.

in all diese kritischen analysen der verfassung unseres bundesrates passt das offizielle bundesratsfoto für die nächsten 12 monate. schön rot wie die schweizer fahne ist es! viele kreuze hat es im hintergrund! und lauter individuelle sternchen im vordergrund.

hand aufs herz: erklärt das bild einem oder einer jugendlichen, was das kollegialsystem ist? weiss eine ausländerin oder ein ausländer, der das bild auf internet sieht, welchen esprit de corps hier vertreten wird? und ist das für die ganz normalen schweizer bürger und bürgerinnen eine reigerung, die in den stürmen der weltwirtschaft besteht, die der vereinzelung in der gesellschaft gegensteuert, welche die zentrifuge der parteipolitik pariiert?

zweifel sind angebracht. denn die körpersprache ist alles andere als entschlossen. micheline calmy-rey hat die arme zwar gut sichtbar veschränkt, will damit aber nur svp-kapriolen abzuwehren. evelyne widmer-schlumpf hält die hände versteckt, sodass niemand weiss, was sie in der asylpolitik vorhat. doris leuthard wiederum steht händehaltend so verschüpft in der landschaft, als würde sie gerade ein interview zur nicht existierenden wirtschaftskrise geben. pascal couchepin seinerseits hat beide hände am körper angelegtangelegt, als wolle er zeigen, in seinem letzten amtsjahr doch noch ein guter parteisoldat werden zu wollen. das ist moritz leuenberger und ueli maurer wurst, denn sie präsentieren sich einarmig, die rechte resp. linke hand, die sie bei kompromissen im kollegkium ausstrecken müssen, gut versteckt. legerer ist da schon mal der bundespräsident hans-rudolf merz: die rückhand lässt er hinter sich hängen, während die rechte für den kommenden schlag im steuerstreit ansetzt.

rot, füge ich bei, ist eine signalfarbe. die stärkste überhaupt. doch mag ich beim anblick dieses foto kein gemeinsames singal erkennen. selbst die maximale amplitude schwingung im hintergrund wird von diesem kollegium in einer nur nur ministen schlangenlinie in der aufstellung aufgenommen. so bleibt mir nur die schwarze farbe haften, die unsere regierung kleidet. und damit auch der satz: trist im morgenrot des neuen jahres.

prosit alle meinen hoffenden und lesenden – trotzdem!

stadtwanderer