auf dem weg zur grossen ökumene

einst meinte katholisch die gesamte christliche kirche. mit der reformation spaltete sich diese unwiderruflich. immerhin brachte die ökumene der nachkriegszeit des 20. jahrhunderts eine annäherung der grossen christlichen gemeinschaften. dabei wird der begriff der ökumene nicht mehr nur für die kleine, innerchristliche verständigung, sondern auch für die grosse, interreligiöse annäherung verwendet.

12 prozent der menschen im kanton bern sind keiner religionsgemeinschaft zugehörig. 83 zählen zu christlichen kirchen, 5 prozent zu nichtchristlichen. die reformierte landeskirche ist mit 67 prozent die grösste, gefolgt von der römisch-katholischen mit 15 prozent. christkatholische und orthodoxe kichemitglieder kommen deutlich weniger vor. muslime wiederum sind die grösste gemeinschaft unter den nicht-christlichen religionen; sie machen annähernd 3 prozent der menschen im kanton aus. hinzu kommen juden un judinnen, buddhistInnen und hinduistInnen.

pluralisierung und individualisierung
die grössen veränderungen der letzten jahre haben zwei verschiedene ursachen: die migration haben zur pluralisierung der gesellschaft beigetragen. im kanton bern leben heute menschen aus 167 nationen; sie sprechen etwas halb so viele verschiedene sprachen. und sie haben den anteil angehöriger nicht-christlicher gemeinschaften ansteigen lassen, denn die aufnahmefähigkeit neuer menschen mit anderen lebenshintergründen resp. deren aufnahmewill in eine landeskirche sind beschränkt.

das hat auch mit der individualisierung der lebensweisen der angehörigen christlicher gemeinschaften zu tun. die geburtenraten sind hier rückläufig; familienformen wiederum werden vielfältiger. kirchenaustritte haben stark zugenommen, zwischen reformierter landeskirche und freikirchen gibt es zahlreiche übergänge, und religiosität resp. spiritualität werden ausserhalb von christlichen kirchen und gemeinschaften gesucht und gefunden.

haus der religionen: bern als pionier

in städischen gebieten sind die trends zur pluralisierung und individualisierung des religösen lebens stärker ausgeprägt als in ländlichen. in bern und biel ist die vielfalt der lebensformen, gemeinschaften und kirchen deutlich grösser. von hier aus geht denn auch die suche nach der neuen ökumene. weil mission kaum mehr vorkommt, kirchenübertritte eine folge individueller entscheidungen sind, besteht eine wichtige voraussetzung dazu. man ist nicht konkurrent untereinder, sondern entwickelt sich zum partner im gesellschaftlichen leben.

das geplante haus der religionen am europaplatz in bern-ausserholligen ist wohl das bedeutendste projekt des interreligiösen austausches in bern. die stadt bern nimmt damit im dialog der kulturen eine prionierstellung in der region, in der schweiz und darüber hinaus ein. 1993 aus dem runden tisch zwischen reformierten und katholiken entstanden, seither in vielerlei hinsicht erweitert, entwickelt dieses projekt schon jetzt zahlreiche aktivitäten. die nacht der religionen vor wenigen wochen war der bisherige höhepunkt in dieser hinsicht.

von der kleinen zur grossen ökumene?
all diese zeichen werfen eine frage auf: bewegen wir uns hin auf eine grosse ökumene in einer pluralisierter kirchenlandschaft? nicht nur weil weihnachten ist, interessiert mich diese perspektive.

stadtwanderer