was die stadtwanderer 2008 bewegte

es ist definitiv zeit für jahresrückblicke. auch beim stadtwanderer. was hat seine leserschaft im vergangen jahr bewegt? google analytics gibt unbestechliche auskünfte. zwar verwende ich dieses tool noch nicht seit anfang jahr, aber seit mitte april. und so können die aufrufziffern aller beiträge seither miteinander eruiert werden.

nur wer dauernd einen schritt vor alle andern setzt, geht voraus (stadtwanderer-motto)

wer hätte das gedacht: ich bin an der euro, warte vor der toilette und sinniere über die geschichte der nationalhymne. der beitrag, der so entsteht, ist der meistgelesene auf dem stadtwandererblog 2008.

das verdanke ich einer guten platzierung auf google. so wird der besagte artikel fast täglich nachgeschlagen. am meisten sofort eingefahren ist der beitrag über den 18. oktober 2008. der kommentar zur staatshilfe an die ubs, um die ramschpapiere aus der bilanz auszugliedern, wird mehr als 300 mal in den ersten 24 stunden aufgerufen. die besten beschreibung einer führung betrifft mein rundgang durch das historische museum am gedenktag der murtenschlacht. deren re-inszenierung, hat sich auf dem blog mehrfach ausbezahlt. gut angekomment ist schiesslich auch die debatte über metrobern. sie wurde immer wieder aufgegriffen, und genau mitverfolgt. genauso, wie mein fiktiven wanderungen in den usa während den amerikanischen präsidentschaftwahlen!

die übersicht über die top-twenty-beiträge des jahres 2008 findet sich hier:

1. die merkwürdige geschichte der schweizer nationalhymne 821
2. rückblick auf den 22. juni 1476 726
3. kurt imhof über qualität in der öffentlichkeit 725
4. was nur geht bei einem botellon ab 720
5. im namen der freiheit 715
6. meine morgige rede vor der burgunderausstellung 660
7. aufruf zu metrobern 655
8. my westside story 650
9. ramschpapier 580
10. bern grollt 576
11. wahre lügen 535
12. was eigentlich ist ein blog 532
13. die überraschende kulturgeschichte der farbe orange 516
14. wenn zeitalter sterben 510
15. berner weltkulturerbe im banne der lokalpolitik480
16. i have to say sorry 472
17. die neue dynamik der städteregionen auch in bern entfachen 450
18. politische kultur auf dem bundesplatz 447
19. undemokratisch?422
20. (k)ein witz 420

besten dank für das unverändert hohe interesse, sagt der

stadtwanderer

“in der realität angekommen”

“Rettungspaket” sei das schweizer wort des jahres, sagt die germanistInnen-jury. ich halte dagegen: für mich wäre “in der realität angekommen” die formel 2008.

der 16. oktober 2008 hatte es in sich. der bundesrat verkündete, der grössten “schweizer” bank, der ubs, mit einer finanzspritze helfen zu müssen. 60 milliarden ramschpapier wollte man in eine auffanggesellschaft auslagern, um die bilanz, namentlich im investmentbanking, zu verbessern. 6 milliarden hätte die ubs miteinschiessen können, um die interessen zu parallelisieren. doch war sie dazu nicht mehr in der lage, sodass der staat die summe bürgen und die nationalbank den grosskredit leisten musste. ausgerechnet die grossbank ubs musste damit staatshilfe akzeptieren! der globalste player der schweiz braucht die lokalste versicherung. “to big to fail”, war die offiziöse begründung. der volkswirtschaftliche schaden wäre grösser gewesen, als das risiko, das so minimiert wurde. dabei kam die ubs im weltweiten vergleich nicht gut weg. verbindliche auflagen an die geschäfts- und lohnpolitik der bank wollte das schweizerische parlament nicht an das rettungspaket knüpfen. immerhin krempelte die ubs ihr bonus-system in ein bonus-malus system um.

in diesen sätzen steckt viel, was das jahr 2008 geprägt hat. und so erscheint es richtig, dass ein wort daraus hervorgehoben wird. es hätte aber auch ein anderes sein können. “ramschpapier”, ja “schrottpapier” war für mich ebenso neu. “staatshilfe” wieder feierte seine wiederauferstehung, und zeigt, wie zwiespältig das verhältnis der staatskritischen internationalen gesellschaften im notfall zum staat des heimatmarktes ist. “tobig to fail” kannte man zwar schon länger, doch hätte ich es auch ganz oben auf der liste der jahreswörter 2008 gehabt.

mein eigentlicher favorit wäre gewesen: “in der realität angekommen”. das macht nur sinn, wenn man sich ausserhalb der realität bewegt. und genau das ist in der finanzwelt der fall. diese ist kein abbild der realität mehr, sondern fiktion. diese entsteht durch das interessen, konstituiert sich durch subjektivität und wird gestützt, weil es sich in ihr gut lebt. wenigstens vorübergehend, denn die seifenblasen platzen, wenn sie mit der mit der festen realität in berührung kommen.

leben heisst demnach heute, sich mit der konstruktion von seifenblasen kritisch auseinanderzusetzen, nicht deren reproduktion durch rettungspakete zu ermöglichen.

um zu vermeiden, dass die formel “in der realität angekommen” nicht zur chiffre des 21. jahrhunderts wird.

stadtwanderer