die analyse der neuen berner stadträtInnen

wer steht wo, und wer könnte mit wem? das ist die aktuelle frage in der diskussion des neuen stadtparlamentes. hilfreich ist dabei die heute publizierte studie von smartvote.

was ist was?
«links» steht für einen ausgebauten sozialstaat und kritik an autoritäten. «rechts» meint eigenverantwortung und die betonung von recht und ordnung. «liberal» wiederum heisst offen gegenüber dem ausland, während «konservativ» vom vorrang der nationalen souveränität ausgeht.

das jedenfalls ist die einteilung von smartvote, der internplattform, die sich bei wählenden und kandidierenden nach ihren präferenzen in sachfragen erkundigt, um politische profile von parteien zu erstellen. die erstmalige anwendung auf die berner gemeinde- und stadtratswahlen erhellt einiges, was man bisher nicht so sah:

die beiden achsen
“die mitte” ist die eigentliche mitte im neuen berner parlament, wenn man die parteien aufgrund der positionen der gewählten auf der links/rechts-achse betrachtet. rechts von ihr sind mit anwachsender distanz bdp, cvp, fdp, hofer-liste, edu, sd und svp. links der mitte findet man evp, glp, gfl, sp, gb, pb, ja! und pda.

auf der zweiten achse ist “die mitte” allerdings ein extrem. ihr vertreter im stadtrat ist der liberalste im obigen sinne. hinter ihm folgen mit zunehmender orientierung am nationalen glp, gfl, sp, gb, ja!, pda, evp, gp, fdp, cvp, bdp, svp, hofer-liste, edu und sd.

geschlossenheit der fraktionen
die fraktion der bdp ist allerdings am schwersten zu klassieren. die sechs gewählten der neuen partei neigen zwar alle zur mitte, die einen sind aber ausgesprochen liberal, andere entscheiden sich eher konservativ. ein ähnliches problem hat die fdp, insgesamt mitte/rechts positioniert, teilweise ausgesprochen liberal eingestellt, teilweise auch nicht. gerade das umgekehrte problem hat die cvp, deren drei vertreter alle gemässigt liberal sind, auf der links/rechts-achse aber stark streuen.

von mittlerer homogenität sind die svp-fraktion im rechts-konservativen segment und die neue glp im moderat linken, aber klar liberalen spektrum zu hause. insbesondere die sp, aber auch das gb und die gfl entsenden je für sich gesehen recht homogen ausgerichtete politikerInnen ins stadtparlament.

thematische allianzen
die svp könnte mit der sd und der edu problemlos eine fraktion bilden. sie würden so aber bei 10 von 80 stimmen bleiben, und sie wäre im gemeinderat weiterhin nicht vertreten. eine bürgerlichen koalition wäre angesichts der sachlichen divergenzen wenig homogen.

in sich geschlossener wäre eine fraktion aus fdp, bdp, cvp und hofer-liste, die auf 21 stimmen und 2 gemeinderatsmitglieder käme. eine zusammenschluss der kleinen rund um die mitte mit glp, cvp, evp und mitte käme auf 10 sitze und einen gemeinderat, würde aber disparate positionen vertreten.

da hat es rotgrün mit 3 regierungsmitgliedern und hat 33 mandaten im parlament einfacher denn sie tritt ausgesprochen homogen auf. wenn die gfl auch noch mitmacht, kommt man gar 42 stimmen. damit bleibt das schwergewicht links der mitte.

die lehre für die rotgrünen parteien
rotgrün ist in bern nicht mehr sicher in der mehrheit, weil die beiden grossen parteien das liberale, moderat linke spektrum nicht gepflegt haben. es ist nicht nur die gfl, die eigenen wege sucht, genau hier ist auch die glp neu entstanden. würde sich rotgrün dem wieder mehr annähern, wäre man weiterhin unbezwingbar. ohne das risikiert man allerdings, von den grünen und liberalen geistern nahe der mitte desavouiert zu werden.

stadtwanderer