berner wahlen: pluralisierung statt wende


die wende hätte das gleiche blockdenken mit umgekehrten vorzeichen gebracht. sie traf denn auch nicht ein. die sichtbaren veränderungen sprechen eher dafür, dass es vermehrt zu wechselnden mehrheiten kommt, bei denen es den grösseren parteien gelingt, das eigene lager zu sammeln und mit der gestärkten mitte zu koalieren. rotgrün bleibt im vorteil, muss sich aber öffnen.

2008-11-30_berner_wahlen
Berner Wahlen

die wende bei den berner wahlen, die von bürgerlicher seite ein jahr lang, beschworen wurde, blieb aus: alexander tschäppät bleibt stadtpräsident. rotgrün behält die mehrheit im gemeinderat. statt eines mehrheitswechsels kommt es zu einer umgruppierung im bürgerlichen lager. die gespaltene fdp hat noch einen sitz, der andere geht via “die mitte” an die cvp. die svp bleibt einmal mehr aussen vor.

viel wichtiger als diese, aufgrund der partei- und personalpolitischen überlegungen erwartbaren veränderungen, sind die wählerInnen-ströme bei den stadtratswahlen, die wenigsten annähernd abgeschätzt werden können. hier gilt:

1. das rechte lager wächst nicht, es wurd aber umgruppiert. die neu bdp, aus der spaltung der svp hervorgegangen, ist aus dem nichts heraus entstanden. kleiner sieger am rechten pol ist die liste jimy hofer. dafür verliert die fdp fiel, die svp einiges und die schweizer demokraten am wenigstens.
2. das linke lager schrumpft. am meisten stimmen büsst die sp ein. bescheiden sind die verluste bei der grünen freien liste und beim grünen bündnis. praktisch halten können sich die kleinen gruppierungen, die grüne partei und die pda.
3. die eigentliche umgruppierung findet in der mitte statt. grosse gewinnerin ist hier die grünliberale partei, kleine verbesserung gibt es für die (neue) “mitte” und die cvp, während die evp als einzige partei im zentrum leicht verliert.

was heisst das alles? die wende blieb auch bei den parlamentswahlen aus; jedoch gibt es typische veränderungen der gegenwärtigen parteienlandschaft.

einmal haben alle grosse parteien mühe sich zu halten: die sp ist bleibt die grösste der parteien, aber mit wählerInnenverlusten. die fdp und die svp, die beiden bürgerlichen lead-parteien, haben sich aus inneren streitigkeiten heraus gespalten und müssen federn lassen. eigentlicher wahlsieger auf der rechten seite ist die bdp, welche nun die bürgerlichen Parteien konkurrenzieren dürfte.

pluralsierung der parteienlanschaft ist das andere phänomen der berner wahlen. neu sind vier grössere und kleiner grüne parteien im berner stadtparlament. zusammen wären sie die grösste partei. sie hätten damit die rückläufige sp überholt. doch reicht ihr politisches spektrum von ganz links bis in die mitte, ohne dass ausser in umweltfragen ein gemeinsamer politischer will sichtbar würde.

das ist es denn auch das typische an den veränderungen in bern: 20 listen traten zu den wahlen an; 14 davon, die eigene parteien repräsentieren, waren erfolgreich. die blöcke bestehen aus je 5 parteien, die mitte aus 4.

vieles wird deshalb davon abhängen, in welchem masse es welchen grösseren parteien in den lagern an den polen gelingt, gute vordenker-arbeit zu leisten, das eigene umfeld dafür zu begeistern und mit dem zentrum zu koalieren. rot-grün bleibt dabei bevorteilt, muss sich aber zur mitte hin öffnen.

stadtwanderer