züriwest und bernost

wo nur endet züriwest, und bis wo reicht bernost? das ist die frage, die historisch schon so viele antworten bekommen hat. sbb-chef andreas meyer fügte ihr am wochenende bei der 150-jahrfeier zur durchgehenden eisenbahnlinie zwischen den beiden städten eine weitere hinzu, als er von zürich her kommend in burgdorf scherzeshalber meinte, man fahre jetzt von bernost nach züriwest …


bern feierte am wochenende 150 jahre anschluss ans eisenbahnnetz – als züriwest gemäss sbb-general meyer (bild: der bund)

vor den römern gab es keine idee eines gemeinsamen raumes im mittelland. man dachte nicht in der ost-west-kategorie, vielmehr bestimmte die süd-perspektive den blick auf den norden. ad fines, das heutige pfyn im thurgau, markierte den grenzübertritt zwischen dem rheintal und dem mittelland, in dem die aare als nur schwer passierbarer fluss die geländekammern bestimmte.

die geländekammern

burgunder und alemannen wurden nach der völkerwanderung durch die aare getrennt. die grenze verlief aber hart entlang des flusses. die bischöfe in konstanz, über die alemannen gebietend, und in lausanne, herren der burgunder, wachten darüber, dass das auch so blieb. und die fränkischen könige über den bischöfen schauten, dass die sich vertrugen. die aare unterhalb der emme war rechtsseitig klar alemannisch, während sie linksseitig oberhalb des saane-zuflusses im burgundischen besitz war. als die fränkische oberaufsicht nachliess, krachte es. die burgunder holten nach ost auf. 922 einigte man sich nach heftigen kämpfen auf die reuss als neue herrschaftsgrenze.

die klöster und stadtgründungen
mit den klöster- und städtegründungen im hohen und späten mittelalter änderte sich die herrschaftliche durchdringung des mittellandes nachhaltig. bern wurde zuerst zähringisches, dann savoyisches und schliesslich kaiserliches zentrum im no-mans-land zwischen burgundern und alemannen. die stadt entwickelte sich rasch zur territorialmacht im oberen aareraum. zürich, gegenüber dem kaiser gleich wie bern positioniert, organisierte den nord-süd-verkehr über den gotthard. nach der pest, welche die städte erschütterte, schloss man sich dem bund der innerschweizer an. zürich mit seine getreuen zuerst, bern mit den verbündeten danach.

die alte eidgenossenschaft

der krieg gegen die habsburger, von den innerschweizern begonnen und den luzernen fortgesetzt, brauchte die städte bern und zürich gegeneinander auf. bern dehnte sich 1415 bis an die untere reuss aus. es war jetzt der grösste eidgenössische ort. zürich drängte umgekehrt die limmat hinunter nach westen, sodass luzern der riegel dazwischen zu legen versuchte. baden wurde zur neutralisierten zone zwischen den stadtansprüchen, das man gemeinsam verwaltete. wenn bern und zürich sich nicht vertrugen, konnte es schon mal zum bürgerkrieg kommen. wenn sie gemeinsam als stäte handelten, konnte das hinterland ins hintertreffen geraten.

der bundesstaat
letztlich änderte erst der einmarsch der napoléonischen truppen in der schweiz dieses herrschaftliche patt zwischen den politischen mächten im mittelland. der kanton aargau wurde im wasserschloss aus der taufe gehoben, was die ansprüche zürichs limitierte und jene berns gar zurückdrängte. doch die bürgerlichen revolutionen trennten staat und wirtschaft.

dem staat gehörten nach 1803 die kantone, nach 1848 der bund, der diese zusammenfügte. denn die wirtschaftliche dynamik hielt sich nicht an diese engen grenzen. die strassen erschlossen das städtische umland, die eisenbahnen verbanden die urbanen zentren. am ende des feudalismus lebten noch 90 prozent der eidgenossen auf dem lande, heute sind es noch 30 prozent, die ausserhalb der urbanen zentren und ihren agglomerationen wohnen.

eine neue hauptstadt?
doch will mir scheinen, sind alte vorstellungen über landschaftskammern, flussgrenezn und stadtrivalitäten geblieben. züriwest gehört zur jener vorstellung, dass die metropolitanregion zürich am besten die städte basel, solothurn, bern, luzern und st. gallen inkorporieren würde. die sogwirkung der zentrale an der limmat geht auf jeden fall bis pratteln, bis zug und bis burgdorf. selbst wenn das pendlerströme abbildet, bleibt die frage, ob das der vielgesichtigen schweiz wirklich rechnung trägt?

bernost war zu zeiten der burgunder mal in der ostschweiz und unter den gnädigen herren aus der aarestadt immerhin noch bis brugg. das ist sicherlich passé. doch stimmt die auffassung, dass die bundesstaat nur noch ein provinzzentrum ist, das gerade mal bis ins wylerfeld ausstrahlt?

bis dorthin, wo man vor 150 jahren die eisenbahn-gäste aus zürich mit der postkutsche abholte? ist diese welt der alles verbindenden sbb-generaldirektion?

stadtwanderer