ein quantum burgdorf

wenn man nach einem spannenden film frage, wird man heute auf quantum of solace verwiesen. ich halte dagegen: wenn man eine spannende lesung erleben möchte, dann sollte man besser die burgdorfer krimitage 2008 besuchen.

zum beispiel die “schattmattbauern”
dem stadtwanderer besonders angetan hat es die szenische lesung der “schattmattbauern”. denn es gibt keine kriminalgeschichte, die besser zu burgdorf passen würde, als die, die carl albert loosli anfangs des 20. jahrhundert veröffentlich hatten. aufgenommen hat der bümplizer schriftsteller, der vormals selber gerichtsschreiber und geschworener war, wie gerichtswesen und gerechtigkeit im emmental (nicht immer) funktionierten.

fritz grädel ist die tragische figur. sein schwiegervater, der alte schattmattbauer, arbeitet gegen ihn, wo es nur geht. doch der stolze jungbauer, hält dagegen. im konflikt wünschte er den altbauer schon mal den tod. am morgen nach dem tanz in habligen entdeckt man dessen schwiegervaters, und schnell fällt der verdacht auf fritz.

als fritz zur untersuchung ins schloss aufgeboten wird, verlagert sich die ganze gesellschaft mit den lesern dorthin. der beschwerliche aufstieg zur höchsten autorität burgdorfs wird gleichsam zur öffentlichen anklage. aus grosen lautsprechern vernimmt man den stand der beschuldigungen während des viermonatigen verfahrens.

oben angekommen, wird man in den wirklichen gerichtssaal gebeten. fritz muss mangels beweisen nicht ins gefängnis. damit ist zwar der krimi zuende, doch der roman beginnt hier erst. denn aus fritz wurde danach kein freier bauer mehr, sondern er war ein gebrochener mann. nach weniger als einem jahr stirbt er an seinem verdruss ob all den beschuldigungen.

25 jahre später erhält der gemeindepräsident von habligen post aus brasilien. christian, der bruder des altbauern, vermachte sein vermögen fritz oder dessen nachfahren. in der begründung beschreibt er, wie sein bruder geübt habe, sich so umzubringen, dass es niemand merke. er habe davon gewusst, doch sei in der schuld des bruders gestanden, und musste er deshalb sein leben lang schweigen.

dieser habe, gesteht christian, um fritz zu schaden, mit schnur und fleischerhaken, an dem eine pistole hing, jene vorrichtung konstruiert, mit der er sich schliesslich selber erschoss. der clou sei gewesen, dass die pistole nach dem schuss wegspickte, und so den verdacht auf den jungbauern lenkte. denn fritz, den tochtermann, mochte der alte nicht, war er doch der sohn seiner früheren geliebten, die ihn dann verstossen hatte. gerächt hat sich der alte auf seine art, die makaberer nicht sein konnte.

burgdorfs kriminelle energien

mit solche spannenden, authentischen und lebensnahen lesungen hat sich burgdorf in den letzten jahren als hautpstadt des deutschsprachigen krimis profilieren können. der frankfurter jan sehgers, der 2008 mit dem krimipreis geehrt wurde, fasst das so zusammen: unter den krimiautoren, die nie in burgdorf gewesen seien, erscheine die kleinstadt an der emme des begehrten preises wegen mindestens 100 mal grösser als sie effektiv sei.

elisabeth zäch, die burgdorfer buchhändlerin und programmchefin der krimitage, fasste das lob als auftrag auf . die nächste woche widmet sie fast ganz dem gelingen des festivals, und wenn noch etwas zeit bleibt, betreibt sie wahlkampf: stadtpräsidentin der krimimetropole will sie ende monat werden!

mal sehen, ob die burgdorferInnen soviel kriminelle energien haben, ihre stadt auf der landkarte der aufmerksamkeiten ganz neu zu positionieren. ein quantum davon haben sie schon mal unter beweis gestellt.

stadtwanderer

carl albert loosli: die schattmattbauern. werke, bd. 3/kriminalliteratur, 2006