wahre lügen

wie treffend bidu mit seinem nächtlichen kommentar war: ich bin kein schlappes eichhörnchen nicht, sondern eine gwundrige maus. das mit dem durchfall war eine täuschung. hier mein erster bericht aus den staaten.

direkte demokratie in california am beispiel der “prop. 11”
kalifornien ist die grösste direkte demokratie der welt. 37 millionen menschen sind hier stimmberechtigt. anders als bei uns wird abgestimmt, wenn wahlen sind. 12 vorlagen, sog. propositions, liegen diesmal zur entscheidung auf.

um einen direkten eindruck vom geschehen zu bekommen, besucht unsere reisegruppe die abschliessende medienkonferenz des gouvernors arnold schwarzenegger zu “proposition eleven”. keine einfache sache, denn es geht um die interessen der parteien,auf die der regierungschef angewiesen ist.

bisher konnte das parlament die wahlkreise festlegen. gemäss einer initiative soll das inskünftig eine kommission von 14 mitgliedern, bestehend aus 5 demokraten, 5 republikanern und 4 parteilosen, machen.

schwarzeneggers kampagne

arnies auftritt im garten vor seinem regierungssitz ist ausgesprochen professionell. der ehemalige bodybilder, leicht in die jahre gekommen, profitiert davon, ein überzeugender schauspieler zu sein. sein habitus ist staatsmännisch, seine worte sind gewählt. er kommt gleich zu sache, und er hält sich kurz.

er verspricht weniger parteienmacht, wenn man, wie er, “prop. 11” zustimme. denn das parlament habe kein interesse an wahlkreisreformen, das die bisherigen gewählten nicht stütze. das erhalte die bestehende macht, weiss der republikanische gouvernor, und es bevormunde die bürgerInnen, setzt er nach.

schwarzenegger sind vor allem die wirtschaftsverbände gefolgt. sie haben, nebst den freunden des regierungschefs, die unterschriften für die volksabstimmung gesammelt, und sie bilden mit ihm die pro-kampagne. eine illustre schar prominenz aus politik verstärkt das komitee, das namentlich in den wichtigen zeitungen wie die los angeles times unterstützung findet.

die letzte umfrage macht vorteile für die befürworterInnen sichtbar. leicht anwachsende 45 prozent stehen auf ihrer seite. die gegnerschaft hat bisher nur 30 prozent hinter sich. und 25 prozent sind eine knappe woche vor der abstimmung unschlüssig. das kenne ich!

von schwarzeneggers gegenspielern hören wir wenig. doch sie werben im fernsehen. senatorin barbara boxer führt die opposition an. ihr ist es vor allem gelungen, ihre demokratische partei in dieser frage auf die nein-seite zu ziehen. nancy pelosi, die mächtige präsidentin des amerikanischen repräsentantenhauses in washington, weiss sie auf ihrer seite.

die gegnerInenn wettern wegen den kosten gegen “prop. 11”. kalifornien sei hoch verschuldet; es können sich ein neues wahlkreisgremium, dessen mitglieder je 300 dollar im tag kassieren würde, nicht leisten. das muss schwarzenegger treffen, der im demokratischen kalifornien vor allem wegen der misswirtschaft seine vorgängers gouvernor geworden ist. auf der nein-seite lässt man denn auch kein argument gegen die momentane macht aus: hinter dem rücken der wahlkreisexperten würden sich partikularinteressen unabhöngig von der politik durchsetzen, ist ihr giftigstes argument.

schweiz und kalifornien im vergleich

die befürworter stecken 2,5 mio. dollar in die kampagne; die gegner haben nur 1 million. darüber spricht man in kalifornien ganz ohne scham. und auch der gouvernor schweigt nicht wenige tage vor der entscheidung, die mittels umfragen bis zum schluss begleitet wird.

trotz dieser offensichtlichen differenz zur schweiz, erinnert der abstimmungskampf in vielem an das, was man aus der schweiz kennt: wenn lokale interessen im spiel sind, haben die parteien mühe, ihre exponenten hinter sich zu scharen; die wirtschaft sponsort kampagnen, welche die parteienmacht brechen, und die medien favorisieren die exponenten, die (warum auch immer) als personen für ein ja oder nein stehen.

wer gewinnt, wissen wir in der wahlnacht. wer mitfieber will zu “prop. 11” kann dies via ballotpedia tun, einer hervorragenden übersicht über alle 152 volksabstimmungen, die am kommenden dienstag in den vereinigten staaten stattfinden.

vom sinn des einblicks vor ort

einen vorteil hat es allerdings, direkt vor ort zu sein: in den tagen, in denen wegen börsencrash, verschuldungsfalle und rezessionsängsten jeder jedem misstraut, ist “credibilty” ein doppeldeutig entscheidendes wort. was zählt, ist was man in den eigenen händen hat und was man selber gesehen hat. das könnte fast zum schlagwort über die auslaufenden amtszeit des präsidenten werden, der mit einer lüge einen krieg entfachte, von der sich mittlerweile sein eigener aussenminister von damals distanziert hat.

in kalifornieren hat das noch mehr brisanz, denn eine der hauptrollen, die arnold schwarzenegger inne hatte, war ausgerechnet die in “true lies”, den wahren lügen. genau das ist es, was man nicht zu unrecht in der politischen debatte hier immer wieder hinterfragt: was von dem, was gesagt, gezeigt und geschrieben wird ist echt, und was nur ein fake. denn wahre lügen sind beides!

town rambler

nachtrag:
die vorlage wurde schliesslich mit 50.6 prozent zustimmung angenommen!