wo warst du am 21. august 1968?

es gibt momente in der zeitgeschichte, die brennen sich in die menschlichen erinnerung ein, ohne dass sie je vergessen gehen. die niederschlagung der tschechoslowakischen reformbewegung innerhalb der kommunistischen partei, die am morgen des 21. august 1968 sichtbar einsetzte, ist so ein moment.


der prager wenzelsplatz, einem zentrum des widerstandes gegen die auffahrenden panzer aus der udssr, den ich kürzlich besucht habe (foto: stadtwanderer)

nicht nur der schlachtrufe im westen für dubcek und svoboda sind mir unvergesslich im ohr geblieben; ich weiss auch noch genau, wo und wie ich von der einfahrt der panzer in prag erfahren habe.
ich war damals 11 und in der vierten primarschulklasse. am diesem tag hatten wir von 11 bis 12 turnen, draussen, auf der wiese des schulhauses in buchs (ag). leichtatheltik war angesagt: 80 m schnellauf, hochsprung und speerwerfen. in der ersten disziplin war ich gut, der rest ist nicht der rede wert.
am schluss mussten wir, zu unserer überraschung, einen 1000 meter lauf absolvieren. ich habe gewonnen. ich war stolz.
der lehrer schickte die durchschwitzten schüler vor dem mittagessen noch rasch unter die dusche. wir rannten gemächlich zur turnhalle. auf der treppe in die garderobe stand ein 5. klässer, der uns zurief: “es ist krieg, es ist krieg. die russen haben die tschechoslowakei besetzt.”
ich rannte sofort nach hause, wollte wissen, was geschehen war. denn ich verstand nicht, was passiert war. einen krieg hatte ich noch nie mitbegenommen.
zuhause wir hörten nachrichten, 1230 radio drs. danach sagte mein vater, das gäbe ein zweites ungarn.
nun verstand ich erst recht bahnhof! die bedeutung von ungarn ’56 kannte ich damals noch nicht. so dachte ich effektiv, es würde jetzt ein zweites ungarn geben.
ich war als 11jährigen passionierter puzzle-spieler. eines meiner lieblings-puzzles war zur schweiz, mit den kantonen. und ein anderes zu europa, mit den ländern. ich weiss noch genau, wie ich erschrak, als mein vater die anspielung auf ungarn machte. ich hatte angst um mein kindliches zusammensetzspiel von europa, dass es nicht mehr gültig sein würde, weil man die länder neu einteilen und einfärben würde.
die veränderung meines kindlichen weltbildes durch den 21. august 1968 habe sofort begriffen. für das, was damit gemeint war, brauchte ich etwas länger.
und was hat du an diesem tag erlebt, das dir in erinnerung geblieben wäre?
stadtwanderer