prediger auf dem fronwagplatz

der anfang in schaffhausen war krass. prediger beherrschten den fronwaagplatz und entsetzten die passantInnenp5160158.JPG.

ich bin heute abend an meinem ziel angekommen und wollte einen kleinen ersten erkundungsspaziergang machen. auf dem fronwaagplatz standen dann fünf herren im mittleren alter. vor ihnen lag ein kleiner koffer: “die bibel” war darauf zu lesen. jeweils einer der fünf herren trat reihum vor und begann zu predigen.

die moral der heutigen zeit sei tief ganz gefallen, war die laute anklage. die menschen würden sich nur noch ihrer gegenwärtig lust hingeben. die frauen von heute seien alles huren. sex vor der ehe sei der normalfall, eine sünde sei das. denn es sei natürlich, damit bis zur heirat zu waren. viele kinder würden so gezeugt, die dann abgetrieben werden müssten. mord sei das, schrieb der vorbeter gerade über den platz, als ich auf ihrer höhe war.

die meisten menschen, die passierten, hörten einige sekunden hin. dann wandten sie sich schockiert ab. nicht wegen dem erzählten, sondern wegen den erzählern. junge paare schauten sich an und schüttelten den kopf. einzelne frauen hielten sich beim vorübergehen gar die ohren mit beiden händen dicht.

auch ich ging vorbei, in den nächsten buchladen, um mich mit literatur über schaffhausen einzudecken. “der rheinfall” war mein thema. doch auch in der buchhandlung verhandelte man schon die bibelleute von nebenan.

“unsere religion ist doch durch prediger entstanden”, sagte meine nachbarin. ihre nachbarin auf der anderen seite wiederum war entsetzt:” ja”, antwortete sie, “aber sie predigten über das leben. die hier wollen uns das leben nur noch schwerer machen. ich kann da nicht mehr zuhören.”

ich habe meine bücher bezahlt und lief zum bahnhof zurück. wem man auf den fronwaagplatz jetzt noch begegnete, der oder beachtete die prediger nicht mehr. nicht wenige von ihnen schienen mit ihrem handy schwer beschäftigt zu sein. ob sie mit ihren lieben verbunden waren, in ihrer eigenen welt, die gerade beklagt wurde, kann ich nur vermuten.

stadtwanderer (erster abend in schaffhausen)