der berner fenstersturz

es war vor genau 15 jahren. freitag abend, ich wollte nach zürich ins schauspielhaus. und war noch an der uni tätig. das gebäude, das neuerdings die berner sozialwissenschaften beherbergte, sollte nicht mehr meine werkstätte sein. ich hatte mich geraume zeit davor entschieden, mich selbständig zu machen. mein büro am bärenplatz stand bereits. an der uni hatte ich noch eine letzte projektsitzung. es sollte definitiv meine letzte sein.


15 jahre nach dem fenstersturz in bern als stadtwanderer wieder zufrieden (foto: stadtwandererin)

eingesperrt

um 18 uhr war die besprechung vorbei. ich machte noch ein telefon mit dem “tages-anzeiger”. der wollte eine geschichte über mich, welche die woz lanciert hatte, um meine selbstständigkeit zu torpedieren, abschreiben. ich versuchte am vorabend noch zu intervenieren. weil ich kein eigenes telefon mehr hatte, benutzt ich das öffentliche im gebäude, das damals im umbau stand. das gespräch dauerte nicht lange, denn es war wenig ersprieslich.

ich hatte es eilig, der zug nach zürich fuhr damals noch um 18 44, und es war schon beinahe halb sieben. ich wollte ins theater. ich machte mich, mit mantel und mappe in der hand, eilends auf den weg. doch der hauptausgang war geschlossen, und die neue alarmanlage funktionierte noch nicht. es gab kein entrinnen mehr. sollte mich die berner uni effektiv gefangen behalten?

nein, ich erinnerte mich an meine guten zeiten als sportler, – leichtathlet, mit einer ganzen serie von medaillen war ich schon mal gewesen. ein sprung aus dem parterre-fenster sollte mich befreien. hoch war es nicht, aber ausgerechnet unterhalb des fensters war eine baugrube.

ich entschied mich in der eile, auf die seite zu springen und auf den zubringerweg zu landen. ich sprang, mit der mappe in der hand. machte die geplante drehung nach links, um nicht in die baugrube zu fallen.

als ich landete, war mir schnell bewusst, dass mir der sprung nicht geglückt war. es krachte fürchterlich in meinem körper. ich kannte das geräusch von knochenbrüchen. ich konnte, unten angekommen, augenblicklich nicht mehr stehen, sank zu boden. ich hatte schmerzen in den beinen, und ich verlor, für den moment gottseidank, das bewusstsein.

beinbrüche

erwacht bin ich erst wieder im spital. man diagnostizierte einen schweren beinbruch. genaueres würde man erst anderntags wissen. der befund am samstag morgen war noch schlimmer. links hatte ich einen trümmerbruch des unterschenkels mit auswirkungen auf das sprunggelenk, und rechts hatte man eine spaltung der ferse bemerkt.

ich wurde nach sieben tagen des wartens unter starkem morphium endlich operiert. der orthopäde meinte, ich hätte glück gehabt. 10 jahre zuvor hätte man den linke fuss nach so einem unfall still gelegt. jetzt habe man neue methoden, und eine operation sei vertretbar gewesen. es werde aber ein einschnitt in meinem leben sein.

er sollte recht behalten. in der tat war ich 1993 für einige zeit im rollstuhl, dann an mehrere wochen an krücken, lernte nach monaten erst wieder laufen, zuerst nur mit dem rechten bein, dann wieder mit beiden. frei gehen konnte ich erst im september desselben jahres wieder.

das linke bein ist heute noch geschwollen, und schmerzt, wenn es wie heute kalt und nass zugleich ist. meine ärzte geben mir unterschiedliche hinweise: der hausarzt meint, ich solle mich mehr bewegen, um nicht mehr zuzunehmen. der gelenkspezialist wiederum ist zurückhaltender. je mehr ich den linken fuss belaste, umso eher sei das fussgelenk, das nie mehr ganz heilte, am ende.

stadtwandern

in diesem dilemma habe ich mich vor einigen jahren entschieden, regelmässig zu wandern. wenn ich nicht aus bern herauskomme, wandere ich in der stadt. das hat, mit den jahren, meinen blick für die verhältnisse und veränderungen in bern geschärft. und hat mein historisches interesse an dem, was an der kultur vergänglich und dauerhaft ist, geweckt. seit 2003 verbinde ich das nützliche mit dem angenehmen, und bin ich der stadtwanderer. wenn ich gut aufgelegt bin, erzähle ich geschichte, wie ich, im wahrsten sinne des wortes, von der uni geflogen bin!

stadtwanderer