die herausforderung

ich bin im umbruch. momentan arbeite ich nicht wie gewohnt. denn ich bereite mich auf meinen trip nach st. gallen vor. da bin ich nicht im büro. und mache auch keine ausgedehnten stadtwanderungen in bern. deshalb kommentiere ich meine erlebnisse auch nicht. vielmehr bin ich abseits des geschehens. schaue von aussen zu:

ich beobachte,
ich entwickle fragen, und
ich versuche antworten zu geben.

ich weiss es nicht besser, und ich interpretiere keine meiner erfahrungen. dafür übe ich mich in der diagnose.


gut vorbereiteter wahlkampf: barbara hayoz bei der präsentation des checks für den bären-park

ist bern im umbruch?

auch bern ist im umbruch, lese ich beim heutigen morgenkaffee: “bern ist reif für eine veränderung”, schreibt “der bund”. und er sagt auch gleich, was für eine kommen könnte: “gemeinderätin barbara hayoz (fdp) will die erste frau im bern stadtpräsidium werden”, titelt er gross über den lokalteil.

wenn das keine herausforderung ist! auch für den diagnostiker, denn es stellt sich die frage: wie empfiehlt sich barbara hayoz für das neue amt, das sie anstrebt? – geradezu idealtypisch, könnte man antworten. denn sie verfolgt die 3 einfachsten regeln der kunst, die für die inszenierte wendewahl entwickelt worden sind!

regel nr. 1: “beklage den ist-zustand als unhaltbar.”


barbara hayoz analysiert das gleich selber, dass es ein wendemoment gäbe. die jetzige mehrheit sei seit 16 jahren im amt. es bestehe eine spürbare unzufriedenheit in der stadt, indiziert die herausforderin. und sie weiss, dass weite teile der bevölkerung ihre einschätzung teilen würden.

regel nr. 2: “polarisiere zwischen dem was ist und was wird.”


das schema, das barbara hayoz entwirft ist klar auf schwarz-wiess ausgerichtet. die jetzige regierung betreibt eine politik des bewahrens. ihr motto ist bern muss dynamischer werden. die herausfordererin will eine prosperierende stadt. direkt oder indirekt unterstellt sie der herrschenden mehrheit politikversagen, eine aufgeblähte verwaltung und übersetzte gebühren. sie kritisiert schikanöse verkehrsmassnahmen, fehlende parkplätze und eine ideologisch motivierte verdammung des privatverkehrs. die bisherige politik sei auf die begehrlichkeiten von randgruppen konzentriert gewesen. das zeige sich an einer verfehlten wohnungspolitik, die nur auf untere einkommenssegmente ausgerichetet gewesen sein. zudem mangle es an sauberkeit, polizeipräsenz, dafür gäbe es rechtsfreie räume.
nachdem das negativbild skizziert ist, folgt das positivbild. unter ihr werde die verwaltung schlanker und funktionsfähiger werden. die politik werde sich auf die hoheitsgebiete konzentrieren, ansonsten für günstige rahmenbedingungen sorgen. sie werde kmu fördern, die reglemente für das stadtbild und für die werbung liberalisieren. unter ihr werden fussgänger und rollender verkehr in einem neuen gleichgewicht harmonisch zueinander finden. ihr ziel sei es, einfamilienhäuser und stochwerkeigentum zu fördern, um gute steuerzahler anzuziehen. dafür müsse die stadt sicherer und sauberer werden, notfalls mit reinigungstrupps rund um die uhr. schliesslich verspricht sie nulltoleranz gegenüber jeglichen versuchen zu rechtsfreien räumen.

regel nr 3: “zeige, dass du bereit bist!”


barbara hayoz ist nach vier jahren im gemeiderat bereit, gegen den amtierenden stadtpräsidenten alexander tschäppät anzutreten. selber verweist sie auf ihren tatbeweis beim bärenpark, bei den stadtfinanzen und bei grosskundgebungen. von berufenen dritten bekommt sie darüber hinaus die empfehlung: führungserfahren sei sie, auch eine brückenbauerin im bürgerlichen lager. und mit ihr habe bern die chance, erstmals einen weiblichen stadtpräsidenten zu erhalten.

alles schon paletti?

wie er herauskommt, weiss man nicht. das ist gar nicht mal so schlecht. denn so entsteht spannung als wichtigster voraussetzung für einen wahlkampf. und den kann die stadt bern wirklich gebrauchen.

mein eindruck ist: mit der gestrigen medienkonferenz hat barbara hayoz den medienwahlkampf mustergültig eröffnet. sie hat das gesetz des handelns an sich gezogen. sie hat die medienstimmungen, die teilweise auch bewusst geschürt worden sind, aufgenommen. und sie hat ihre freisinnigen antworten darauf plaziert. rotgrün start damit noch mehr aus der defensive in den wahlkampf ’08. zudem wird die mehrheit mit der botschaft antreten: “gäng wi gäng”. die gleichen drei sollen es noch einmal richten, und ins stadtpräsidium gehöre der amtsinhaber.

ich will auch gar nicht zweifeln, dass da ein mustergültiger, harter wahlkampf angekündigt wurde, der nach allen regeln der kommunikationskunst geführt werden wird. gerade das lässt aber an der analyse und strategie zweifel aufkommen: nicht, dass barbara hayoz nicht wollte. nicht, dass die fdp das stadtpräsidium nicht wieder für sich möchte, und auch nicht, dass das skizzierte programm kein bürgerliches wäre. doch wo ist der hieb- und stichfeste hinweis, dass weite teile der stadtberner bevölkerung eine wende wollen? wann kommt die saubere analyse von bürgeranliegen, die das aufzeigt? die umfrage, die das belegt?

und wenn dem so wäre: wer weiss schon heute, dass die mehrheit das bürgerliche ticket für geeigneter hält, die probleme der stadt zu regeln. die möglichkeiten von barbara hayoz, eine wirkungsvolle stadtpräsidentin sein zu können, hängen auch von der mehrheit im fünfköpfigen gemeinderat ab. was, wenn sie siegen sollte und die bürgerlche gemeideratsliste keine mehrheit bekommt? was, wenn sich sich svp und cvp am ende des wahlkampfes gegenseitig streichen, um wenigstens den sitz des umstrittenen stephan hügli zu beerben?

die plattform des stadtwanderers

hiermit lanciere ich auf dem “stadtwanderer” den wahlkampf ’08. nicht als propaganda für irgendjemanden. aber als gelegentliche plattform für diagnosen meiner mitwandererInnen zur lage der stadt bern und den folgerungen, die sich daraus ergeben. ich freue mich jetzt schon auf die rundgänge!

stadtwanderer

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liebe rot-grün-mitte