kleider machen leute!

die zürcher meinen gerne, gottfried keller habe das zitat

“kleider machen leute”

geprägt.

mitnichten!

keller interpretierte damit nur ein viel älteres sprichwort von quintilian, dem führenden römischen rhetorikprofessor unter den flavischen kaisern. in seinem 8. buch zur institutio oratoria empfahl er:

“vestis virum reddit”.

wörtlich genommen heisst das: die kleidung macht den mann.


für einmal rollenmischung: der stadtwanderer im arbeitskleid (foto: stadtwandererin)

des stadtwanderers kleider

das weiss der stadtwanderer doppelt: der kaiserlich besoldete rhetoriker aus dem 1. jahrhundert nach christi geburt stand ihm pate, als er seine stadtwanderungen erfand. denn von quintilian stammt auch die beobachtung, dass die meisten menschen zeitliche chronologien, die mythen erst zu geschichten machen, im normalfall nicht behalten können. werden indessen die stationen der geschichte als stationen einer wanderung durch den raum erzählt, bleibt letztere haften. so kann man sich auch der geschichten wieder erinnern, für die ein ort im raum steht. das erleichtert es, ein informiertes, geschichtliches bewusstsein zu entwickeln.

wenn der stadtwanderer in seinem nebenberuf stadtwandert, ist seine kleidung meist unauffällig: praktisch muss sie sein, denn sie muss vor wind, sonne und regen schützen. er steht ja nicht im zentrum, wenn er seine gäste durch bern führt. im hauptberuf, vor allem bei medienauftritten, nimmt er quintilian schon mal ernster: die anzug soll sitzen und durch eine fliege gekrönt sein!, ist sein motto: es soll kommuniziert werden, dass er dabei ist, seine rolle als politischer analyst zu spielen.

selten nur mischt er beides, und geht er mit dem papillon stadtwandern.

der wissenschafterInnen ihre kleidungsfragen

mit kleidungen als zweiter haupt,
mit fragen nach schönem und hässlichem,
mit symbolischer kommunikation durch uniformen,
mit partnerlook und sozialer abgrenzung durch kleider,
mit mode aus philosophischer, sozialpsychologischer und kunstkritischer sicht,
mit der herstellung traditioneller und futuristischer texitlien,
mit hüten und schuhen,
mit geschlecht und hose,
mit wilden dresses und schuluniformen,
mit, mit, mit …

ja, damit beschäftigen sich in bern gleich zwei vortragsreihen, auf der stadtwanderer gerne hinweist:

dem collegium generale seine kleidungsfragen

zunächst sie die vortragsreihe zur kulturgeschichte der kleidung erwähnt, die diesen mittwoch, 26.9.2007, anfängt, und kurz vor weihnachten, am 19.12.2007, endet. 13 referate, vortragen im collegium generale der berner uni (auditorium maximum, jeweils mittwochs 18 15 bis 19 30), stehen an, über die sich ausgewiesen spezialistInnen aus dem in- und ausland zum thema der zweiten haut mitteilen wollen. konkret sind das:

26.9.2007
Prof. Dr. Gabriele Mentges, Institut für Kunst und Materielle Kultur, Universität Dortmund:
Kleidung als Technik und Strategie am Körper. Eine Kulturanthropologie von Körper, Geschlecht und Kleidung

3.10.2007
Prof. Dr. Ingrid Loschek, Hochschule für Gestaltung, Technik und Wirtschaft, Pforzheim:
Wann ist schön? Ästhetik des Schönen und des Hässlichen in der Mode

10.10.2007
Dr. Elisabeth Hackspiel-Mikosch, Hochschule Niederrhein, Mönchengladbach:
Uniformen als Medium symbolischer Kommunikation an der Schnittstelle von Politik, Gesellschaft, Geschlecht und Kultur

17.10.2007
PD Dr. Katharina Simon-Muscheid, Historisches Institut, Universität Bern:
Standesgemässe Kleidung. Repräsentation und Abgrenzung durch Kleiderordnungen (12.–17. Jh.)

24.10.2007
Prof. Dr. Reinhard Schulze, Institut für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie, Universität Bern
Kleiderordnungen in islamischen Kulturen: das Kopftuch.
sowie
Dr. Saskia Walentowitz, Institut für Sozialanthropologie, Universität Bern
Blaue Schleier und andere Sinngewebe der Tuareg. Sozialanthropologische Betrachtungen zur Verhüllung der Geschlechter

31.10.2007
Dr. Andreas Poschmann, Deutsches Liturgisches Institut, Trier
Parura – Planeta – Pluviale. Liturgische Gewänder zwischen Alltagskleidung und Sakraldesign

7.11.2007
PD Dr. Philipp Zitzlsperger, Kunstgeschichtliches Seminar, Humboldt-Universität Berlin:
Dürers Garderobe. Zur Bildsprache des Kostüms in der Malerei

14.11.2007
Dr. Annelie Lütgens, Kunstmuseum Wolfsburg:
Modefotografie. Idealismus und Realismus in einem fragwürdigen Genre

21.11.2007
Prof. Dr. Carlo Michael Sommer, Hochschule Darmstadt:
Der soziale Sinn der Mode. Kleidung und Mode aus sozialpsychologischer Sicht

28.11.2007
Dr. Marion I. Tobler-Rohr, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich:
Fair Trade und Marketing. Nachhaltigkeit in der Textilherstellung

5.12.2007
Marcel Halbeisen, Empa, Swiss Materials Science & Technology:
Von Atmungsaktivität bis Nanotechnologie. Hightech-Textilien heute und morgen

12.12.2007
Prof. Dr. Nadia Magnenat-Thalmann, MIRALab, Universität Genf:
Digitale Körper- und Bekleidungssimulation

19.12.2007
Christa de Carouge, Modedesignerin, Zürich
Mein Kleid, mein Haus: Philosophie einer Modesdesignerin

dem historischen verein seine kleidungsfragen

sodann sei das winterprogramm des historischen vereins des kantons bern erwähnt, das am 19. oktober 2007 beginnt und am 14. märz 2008 endet. 10 vorträge werden da angekündigt, die immer am freitag abend 18 15 im vortragssaal der zentralbibliothek berns (münstergasse 63, 3011 bern) stttfinden werden. berner und schweizer kleiderforscherInnen bekommen hier gelegenheit, ihre erkenntnis dem publikum vorzugtragen und es mit ihm zu diskutieren. namentlich:

19. Oktober 2007
Dr. Klaus Oschema, Bern/Heidelberg:
Partnerlook und Kleidertausch. Kleidung als Freundschaftszeichen im Mittelalter

2. November 2007
Prof. Dr. Rainer C. Schwinges, Bern:
Zwischen Talar und Mode. Studenten- und Gelehrtenkleidung im späten Mittelalter

16. November 2007
Serge und Marquita Volken, Lausanne:
Zeitreise auf Schusters Rappen. Schuhe des Mittelalters und der Neuzeit

30. November 2007
Karen Christie, Bern:
Als noch die Männer die Hosen anhatten …Eine Kulturgeschichte der Hosen mit Beispielen aus dem Historischen Museum Bern

14. Dezember 2007
Dr. Margret Ribbert, Basel:
Kleidung auf spätmittelalterlichen Wirkteppichen. Eine Untersuchung anhand der Basler Beispiele

18. Januar 2008
Johannes Pietsch, Riggisberg:
Das Wechselspiel von Körper und Kleidung. Unterschiedliche Konzepte zur Formung der menschlichen Gestalt durch die Kleidung im Mittelalter und der frühen Neuzeit

1. Februar 2008
Dr. Charlotte Gutscher, Bern:
Warum der Schneider nicht “Näher” heisst! Gedanken zur Bedeutung des Schnittmusters anhand des Meisterbuchs von Salomon Erb aus dem Jahr 1730

15. Februar 2008
Lic.phil. Regula Wyss, Bern:
Von zu hohen Kappen und zu dicken Perücken. Verstösse gegen die Berner Kleiderordnungen im 17. Jahrhundert

29. Februar 2008
Lic.phil.Sigrid Pallmert, Zürich:
Die Bedeutung der Bekleidung heute. Dresscodes und Signalwirkung

14. März 2008
Dr. Christian Griss, Basel:
Kleider machen Schülerinnen und Schüler. Ein Pilotprojekt mit Schuluniformen im 9. Schuljahr in Basel

der wissenschafter ihre kleidung

ich sag da nur: ganz schön spannend, was da ankündigt wird! und es könnte gut sein, dass ich da beim stadtwandern schon mal einen abstecher in die länggasse oder an die münstergasse mache.

nur schon um zu sehen, wie ernst man quintilianus’ empfehlung “vestis virrum reddit” bei den fachhistorikerInnen und ihren gewandten orten heute noch nimmt …

stadtwanderer