auf der suche nach dem paradies

hauterive ist speziell. ein kloster, nicht oben auf dem berg, sondern unten am fluss. gegründet wurde es, um lokales feudalgut vor dem zugriff der zähringer zu schützen. daraus entstand eine klostergemeinschaft, die nach den regeln der zisterzienser funktionierte, und ihren höhepunkt im 13. jahrhundert kannte. im 19. jahrhundert dienten die klostergebäude vorübergehend als lehrerseminar, bevor es, 1939, wieder ihrer ursprünglichen aufgabe zugeführt wurden. 2006 ist der klostergarten im kreuzgang neu gestaltet worden, und er soll das paradies auf der erdeninsel hauterive wieder erstehen lassen.

annäherung an eine fremde welt

meist sind die klöster am auf einem berg oder am ende eines tals. das passt vor allem zu den zisterziensern, die einfach und von ihrer arbeit leben sollen. so hat diese burgundische klosterbewegung aus dem 12. jahrhundert viele gebiete neu erschlossen. auch in hauterive ist es so, selbst wenn das kloster ganz ungewöhnlich liegt: in einem tobel umgeben von hohen felswänden, nahe der sarine/saane, in einer grossen flusschleife.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

man nähert sich der weltlichen insel im göttlichen dienste nur blick für blick. das ist gut so, denn so kommt man der fremden welt, die sie heute noch oder wieder ist, bloss schritt für schritt näher.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

wer zum kloster hauterive wandert, steigt vor allem hinab. zunächst geht es noch über feld, durch wald und entlang von wiesen. doch dann werden die wege immer steiniger, und sie sind gelegentlich auch steil. weit unten erkennt man einer einer waldlichtung und in einer flusschleife ein paar dachfirste, dann einige häuser, schliesslich ein ganzes kloster.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

wie alle zisterzienerklöster ist der bau streng quadratisch angelegt. die klosterkirche bildet die eine seite. der kreuzgang ist das zentrum, und rund herum hat es die gebäude für die priester, vis-a-vis für die brüder und dazwischen für die verwaltung. wenn man vor dem kloster angekommen ist, sieht man auch die nebengebäude: gästehäuser, die über dem tiefgelegenen kloster stehen. zu diesem führt im leichten bogen eine kleine strasse hinab. schöner ist es aber, für die letzten höhenmeter die gedeckte treppen direkt nach unten zu nehmen.

von der spätburgundischen gründung zum höhepunkt unter den neuenburger grafen

das kloster kennt, obwohl es immer im katholischen umfeld war, eine wechselvolle geschichte. die ursprünge reichen bis ins 12. jahrhundert zurück. 1125 ging die salische dynastie im kaiserreich zu ende. der kaiser war damals gleichzeitig könig von burgund, zudem das gebiet von hauterive gehörte.

insbesondere der tod von kaiser heinrich V. brachte unsichere zeiten. zwei adelige stritten um die deutsche krone: es setzte sich lothar von supplingenburg durch, der weit im norden, in sachsen, lebt und seine hausmacht hatte. im süden stützte er sich auf einer stellvertreter, der gegen den konkurrenten aus staufischem hause herrschen sollte. dies waren die herzöge von zähringen, denen der könig das rektorat über burgund, eine art vizekönigtum, vermachte.

die zähringer waren im üchtland, wie man den streifen zwischen sarine und aare nannte, wenig beliebt. sie galten als eindringliche. ihnen fehlte der imperiale glanz des kaisers, und sie kompensierten dieses manko mit machtpolitik, die in der eroberung und erschliessung des burgundergebietes geschah.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

zwischen 1132 und 1138 stiftete wilhelm von glâne, ein burgundischer seignieur oder freiherr, kurz vor dem erlöschen seines geschlechts, das kloster hauterive. er stattete es mit grundbesitz aus. so versuchte er, seinen besitz dem zugriff der zähringer zu entziehen. 1138 weihte der bischof von lausanne das klosters, und der papst bestätigte seine existenz 4 jahre später.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

1157 setzten sich die zähringer mit der stadtgründung an der sarine, nur 6 kilometer luftlinie von hautrive entfernt, im üchtland fest. mit freiburg entstand ihre erste stadt auf burgundischem boden, die nach dem vorbild von freiburg im breisgau, ebenfalls zähringisch, geführt wurde.

allen versuchen, die eigenständigkeit zu sichern, zum trotz, kam hauterive jetzt ebenfalls unter zähringische herrschaft. die herzöge nutzten das kloster als machtbasis, das so zu neuem besitz und neuen rechten kam in der näheren und weiteren umgebung kam.

mit dem aussterben der zähringer 1218 kam hauterive unter die schirmherrschaft der grafen von neuenburg, später der grafen von aarberg. es war die blütezeit des klosters, das ländereien vom jura bis in die alpen, und von der sarine bis an den genfer see hatte.

städtische territorialbildung und abstieg zum staatlichen lehrerseminar

als die städte ihre territorialpolitik auszubilden begannen, setzte der abstieg des feudalen klosters ein. bern griff nach westen aus, provozierte damit dem gümmenen- und laupenkrieg, indem zahlreiche burgundische adelige ums leben kamen. das verunsicherte selbst die position von hauterive. nach 1341 sicherte die habsburgische stadt freiburg das kloster. 1387 wurde es, im sempacherkrieg der innerschweizer gegen habsburg von bernern geplündert, und 1448, im krieg berns gegen savoyen, wurde es in ebenfalls mitleidenschaft gezogen. 1452 kaum die abtei erneut unter die hohheit der stadt freiburg, die jetzt aber im radar berns war, und 1481, auf berner vermittlung, eidgenössisch wurde. aus hauterive wurde jetzt altenryf.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

das kloster ging seinen aufgaben weiter nach, kam aber 1618 zur oberdeutschen zisterzienserkongregation. 1798 litt altenryf unter dem zusammenbruch des alten regimes, und 1848 wurde es von den liberalen behörden des kantons aufgelöst und in ein lehrerseminar umfunktioniert.

neubegründung des streng klösterlichen lebens

1939, bei ausbruch des zweiten weltkrieges, siedelten sich wieder mönche aus dem zisterzienserkloster in bregenz an der sarine an, und errichteten 1973 die heutige abtei heuterive neu. durch diese abtei führt uns heute catherine waeber, die vor genau dreissig jahren ihre dokotroarbeit über die architektur des klosters hauterive gamacht hat. und es erklärt uns auch ein bruder, der im kloster lebt, wie das leben in der gegenwelt ist.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

wir erfahren vom strengen tagesauflauf, der auch heute um 4 uhr beginnt, und um halbneun endet, und der durch die gebete, das essen und die arbeit gegliedert wird. hinzu kommen noch die lesungen, für sich, und alle miteinander, wenn die priester und brüder auf den bänken im kreuzgang dem wort jesu lauschen.

meist ist es aber stil im kloster. man spricht nicht, wenn man isst oder arbeitet, um mit gott im dialog bleiben zu können. die zeit des sprechens ist klar geregelt und beschränkt. mit der aussenwelt ist man zwar in kontakt, aber auch das ist kontrolliert und beschränkt. das kloster verlassen die mönche gerade mal 4 tage im jahr. entweder gehen sie dann auf verwandtenbesuch, oder aber sie pilgern zusammen auf eine alp, die dem kloster gehört. die gemeinschaft ist hier deutlich spürbar über dem individuum. und seine erfüllung findet der mönch auch 2006 nur in dieser gemeinschaft.

berner plünderer und berner kulturfreunde

berühmtheit erlangte hauterive durch sein scirptorium, das seit der gründung im 12. jahrhundert bestand. es war ein ort des schreibens, damit die heilige schrift bekannter wurde. nur wer seinen gott kennt, kann ihn lieben, ist heute noch die losung. offiziell ist man heute französischsprachig. das klosterleben lässt aber auch die deutsche und italienische sprache zu, und das latein bleibt die sprache für die meisten gesänge.

die zutiefst römisch-katholisch-burgundische kultur kam 1387 in einem jähen kontakt mit der alemannischen. die berner plünderten das kloster; sie hatten es vor allem auf die klosterbibliothek abgesehen, die 1578 zusätzlich durch einen brand verwüstet wurde. trotzdem verfügt hauterive heute über ein der herausragendsten handschriftenbestände der klöster in der westschweiz. zudem sind 40’000 bücher in der klosterbibliothek greifbar.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

auch unsere besuchergruppe kommt auch aus bern, ist aber friedlich. sie ist nicht unter der führung eines schultheissen. vielmehr hat verena hegg eine friedliche carfahrt durch die gärten freiburgs organisiert. die teilnehmenden sind auch keine soldaten, vielmehr sind sie fast alle mitglieder der schweizerischen gesellschaft für gartenkultur. und ihnen hat sich der stadtwanderer angeschlossen.

geheimnisvolles dunkel in der kirche, helles licht im klostergarten

zuerst lauschen wir den täglichen gesängen der brüder in der klosterkirche notre-dame-de-l’assomption. sie wurde zwischen 1150 und 1160 errichtet, und sie ist ein gutes beispiel für die frühe architektur der zisterzienser. ganz im geiste des heiligen bernard von clairvaux gehaltem, besitzt die dreischiffige romanische kirche ein querschiff und einen rechteckchor, aber keinen kirchturm. einzig ein kleiner reiter ist der kirche aufgesetzt. das licht in der kirche ist spärlich, und wird durch die, im 14. jahrhundert eingesetzten, farbigen fenster noch gebrochen. so entsteht die spezielle atmosphäre einer kirche in der flusschleifen, die einem so vorkommt, als wäre man in ein u-boot gestiegen.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

krasser könnte der gegensatz nicht sein, wenn man dann in den romanisch gehaltenen kreuzgang hinauskommt, der aus dem 12. jahrhundert stammt und auf drei von vier seiten erhalten ist.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

mitten im kreuzgang ist 2006 eine neue gartenanlage entstanden. der belgische gartenarchitekt jacques wirtz stand hier vater. er hat in gelungener art und weise moderne elemente mit traditionellen materialien mitten ins kloster gebracht. die alte waschanlage ist heute offen, dargestellt durch einen quadratische wanne. ihr gegenüber ist ein runder brunnen. leicht erhöht sammelt er alle wege im klostergarten. symbolisiert wird dadurch das paradies.

begegnung mit einer eigentlich bekannten welt

hauterive kannte ich lange nicht. bei meinen recherchen über (spät)burgundisches leben in der schweiz bin ich natürlich auf dieses bijou der übergangszeit in die schwäbisch-alemannische welt gestossen, und habe mich für das leben in hauterive zu interessieren begonnen. irgendwie ist es wie ein stück burgund, das in einer andern welt überlebt hat.

diese einsicht hätte ich sogar ganz einfach haben können, hätte ich nur meinen vater gefragt. in der gegend aufgewachsen, hat er als junge regelmässig die mitternachtsmesse in der klosterkirche von hauterive besucht, – mein seinen kollegen von der jungwacht. ganz unten, in der flusschleife der sarine, wo das zisterzienserkloster steht, in dessen mitte der kreuzgang mit dem paradies ist.

stadtwanderer (auf landwegen unterwegs)

kloster hauterive

gartenjahr