“bern neu gründen” setzt auf den informationsfluss im virtuellen aaretal

seit ende august 2009 gibt es den verein “bern neu gründen”. er will die politik im lebensraum bern jenseits von gemeindegrenzen neu aufmischen. dafür geht er jetzt in die mediale offensive.

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seit kurzem hat der verein einen eigene internetauftritt. mitglieder haben die website konzipiert. freiwillige mit technischem know-how haben sie gestaltet. nun ist ein diskussionsforum hinzu gekommen, dass unser “röschtigraber” schon ganz ordentlich anwärmt, und via facebook soll eine community aufgebaut werden, wie “unser” stubentiger eben vermeldet.

man setzt also ganz auf zeitgemässe formen der politischen mobilisierung, wenn es um die neugründung von bern geht. lassen sie sich miteinbeziehen, in den news- und informationsfluss, der durch das virtuelle aaretal zu fliessen beginnt. zwar ist er momentan etwa so stark wie der stadtbach durch die altstadt, aber bald schon soll daraus ein rauschender strom im aaretal werden!

stadtwanderer

zwischentöne nicht überhören

gut, das wochenende war streng. besonders streng. deshalb habe ich die letzten tage hier kaum mehr gebloggt. doch das soll sich wieder ändern. ich beginne, mit einem rückblick – in eigener sache.

bernheute wurde ich beim stadtwandern von einem jüngeren mann angesprochen. es ging – natürlich – umso wochenende. warum sei die prognose so falsch gewesen, habe er sich gefragt. gestern nun habe er via 10vor10 eine teilantwort erhalten: weil man in der schweiz die letzten zwei wochen vor einer volksabstimmung keine umfragen hierzu machen dürfe.

ich war erleichtert, das zu hören. denn die reaktionen gerade am montag waren nicht immer gleich interessiert und angenehm. gut, ich habe mir das scheinbar selber eingebrockt. mit meiner sog. prognose.

es sei nein: 37 prozent dafür, 53 prozent dagegen. damit sei alles klar!

mintnichten! interessanterweise zitiert niemand meine wirkliche prognose; sie war 10 tage vor der abstimmung: “Momentan ist die Ablehnung der Minarett-Initiative wahrscheinlich. Doch der Trend geht ins Ja, was jede Prognose unsicher macht.”

hätte ich das am tag vor der abstimmung mit einer umfrage vom freitag gemacht und wäre es dann anders heraus gekommen, wäre ich am sonntag zurecht ein erledigter berufsmann gewesen, sagte ich meine unbekannten. doch die hohe politik will die sperrfrist und es halten sich die umfrageinstitute halten daran, fahre ich fort. so sind die umfragen samt produktions- und analysezeit effektiv rund 17 tage alt, wenn abstimmung ist. wenn in dieser zeit nichts geschieht, könnte man die letzte umfrage mit einer prognose gleichsetzen.

klar, sagt mein gegenüber, während wir, angesichts der wachsenden länge unseres gespräches unter den lauben schutz vor dem mittagsschnee suchen. soll man da nicht auf umfragen verzichten?, werde ich gefragt. nein, gebe ich zur antwort, aber mobilisierungseffekte, meinungsbildungen in letzter minute, und selbst meinungswechsel nicht ausschliessen. weder als forscher, noch als konsument entsprechender produkte.

wir haben uns im direkten kontakt verstanden, merke ich und schliesse: wenn zahlen, trends, analyse und erfahrungen eine klare richtung aufweisen. wenn nicht, werde ich das ein ander mal noch deutlicher machen.

was dabei herauskommt, kann ich aber nicht prognostieren. gerade deshalb war mir das gespräch wichtig. denn auch die zwischentöne kommen so richtig rüber.

stadtwanderer

die sprache für jenen finden, die nicht alles verstehen

sie sei eben 18 geworden, wolle politikerin werden, und ich könne ihr dabei sicher helfen. das schrieb mir 1996 pascale bruderer – heute zur nationalratspräsidentin und damit höchsten schweizer politikerin gewählt.

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die sportliche pascale bruderer, neue nationalratspräsidentin, unterhält sich in der gebärdensprache mit gehörlosen
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eine weile lange war pascale so etwas wie meine brief-freundin im email-format. denn so habe ich sie kennen gelernt. allerhand wissen wollte sie auf diesem weg von mir wissen, bevor wir uns ein erstes im restaurant trafen, um tee zu trinken, ansichten zu vergleichen und tipps für wahlkämpfe auszutauschen.

fast sicher war das nur eine symbolische unterstützung, denn die selbstbewusste junge frau wurde schon 1998 badener einwohnerrätin, schaffte 2001 auf anhieb die wahl in den aargauischen grossen rat und rückte nur ein jahr später im nationalrat nach. jüngste nationalrätin war sie damals und avancierte so schnell zur guten kommunikatorin in den medien. einzig die kandidatur als aargauer ständerätin misslang ihr vor zwei jahren, ohne sie zu knicken. für ihr fortgesetztes engagement, jugendliche für die politik zu gewinnen, erhielt die nationalrätin 2008 den “prix jeunesse”.

ihr politisches selbstverständnis entwickelte die junge pascale in der familie. verschiedene ihrer verwandten hören schlecht oder gar nichts und sind auf hilfe angewiesen. mit weltanschauungen kann die sp-vizepräsidentin nicht viel anfangen. praktische fortschritte wie die einführung der gebärdensprache im fernsehen sind der moderat links politisierenden politikerin wichtiger als die reinheit der ideologie.

rasch gelernt hat pascale, dass man als politische minderheit nur dann zu erfolgen kommt, wenn man sich nicht überall abgrenzt, sondern so für seine überzeugungen eintritt, dass sie von anderen verstanden und geteilt werden können. das hat sie in den parlamenten zur kommunikativen brückenbauerin gegenüber anderen fraktionen werden lassen. insbesondere in fdp-kreisen ist die sp-frau anerkannt, trotz oder gerade wegen ihren sozialpolitischen vorstellungen.

handball war lange pascales spezielles ding; berufspielerin und mitglied der nationalmannschaft wollte sie werden. doch dann verletzte sie sich, und sie entschied sich für ein studium. politologie schloss sie vor einigen jahren mit einer lizenziatarbeit über lobbying, das sie aus der seite der fordernden und der geforderten kennt. denn heute wirkt sie sowohl als teilzeitpolitikerin, wie auch als geschäftsführerin der aargauischen krebsliga.

natürlich darf schweden nicht fehlen, wenn ich über pascale berichte. denn bevor sie sich der politik verschrieb, ging die studentin für ein jahr nach schweden, lebte auf dem campus der universität växjö, lernte sie fliessend schwedisch sprechen, und erkundete sie die schwedische gesellschaft mit ihren zahlreichen integrationsbemühungen und ihrer weitreichenden gleichstellungspolitik.

wenn mich dann beim jährlichen swiss award jemand mit einem herzhaften “heja” begrüsst, weiss ich sofort, wer es ist. mal spielt pascale bei der fernsehkür wichtiger schweizerInnen des jahres die unbeschwerte glücksfee, die das millionenlos bestimmt, mal hält sie die laudatio für den oder die schweizer politikerIn des jahres, und immer sie sie in der kleinen jury dabei, die auswählt, wer für eine ehrung überhaupt in frage kommt. keine leichte aufgabe, weiss ich als einer, der dann mitentscheidet, wer dann ganz oben steht.

und nun sitzt pascale ganz oben! aber nicht im tv, sondern in der politik. als neue nationalratspräsidentin wacht die 32jährige über die verhandlungen der volksvertretung. 173 der 184 gültigen stimmen machte sie heute. ein versprechen!

stadtwanderer

frauen ohne masken

der vortragssaal im berner kornhaus war gestern bis auf dem letzten stuhl besetzt. die meisten teilnehmenden waren frauen. denn um sie und ihre berufe ging es an der buchvernissage, der nun eine ausstellung folgt.

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“frauen ohne maske” heisst das buch, das gestern vorgestellt wurde. joseph riegger, fotograf aus basel, ging viele jahre mit dem projekt schwanger, bevor er sich 2008 entschloss, es zu realisieren. mit porträts sollten frauen im beruf vorgestellt werden. 201 bildnisse von arbeitenden frauen sind so entstanden und bilden das rückgrat des neuen bildbandes.

die bilder sind alle gleich aufgebaut: es gibt einen einheitlichen hintergrund, in der linken bildecke steht ein korpus mit berufsgegenständen, und die porträtierten zeigen sich so, wie sie in ihrem alltag arbeiten. er sei nach einem strengen raster vorgegangen, um die verschiedenheit der heutigen frauenberufe zu zeigen, sagte riegger gestern abend. in der tat: die präsentierte palette ist breit. natürlich gibt es da die hebamme, die sozialarbeiterin und die sekretärin. doch mischte er auch uruloginnen, informatikerinnen, landmaschinenmechanikerinnen und selbst kaminfegerinnen darunter. und: die liste liesse sich fast beliebig verlängern. einige der so porträtiert sind uns bekannt: ruth dreifuss beispielsweise, die ökonomin, die entwicklungshelferin und gewerkschafterin war, bevor sie bundesrätin wurde. doch die meisten der vorgestellten kenne ich jedenfalls nicht, und doch vermitteln sie ein bild von ihrem berufsalltag. “Miir war wichtig, dass alle ausser der Yoga-Lehrerin, wo das nicht geht, in die Kamera schauen”, sagt riegger. denn nur so entsteht eine selbstbewusste botschaft, wo man sie nicht erwartet.

“Ein solches Buch macht Mut, sagte marieanne dürst, ehemalige präsidentin der fdp frauen und frau landammann im kanton glarus auf dem podium. sie ist die erste frau, die das schwert als symbol der macht im kanton trägt, – und sie macht das mit stolz. das heisst nicht, dass sie die männerpolitik einfach fortsetzen will; vielmehr sprach sie sich für gemischte teams in allen lebensbereichen aus. den frauen und männer haben stärken, ist ihre überzeugung, und sollten sie überall gemeinsam einbringen. zu ihren stärken zählte sie, sich als projektleiterin vorbehaltslos hinter die neuorganisation der glarner gemeinden zu stellen, um im traditionsreichen tal etwas zukünftiges zu schaffen. anita fetz, die basler sp-politikerin, ging da noch etwas weiter. wenn es nach ginge, würde sie viel mehr ins öffentliche bildungswesen investieren, die kinder früher einschulen und die berufliche qualifizierung gerade auch von frauen für berufe intensivieren. denn als ständerätin oder bankrätin weiss sie, wie oft sie gerade in spitzenpositionen und traditionellen männerdomänen wie den finanzkommissionen oder verwaltungsräten immer noch alleine ist. den wandel, den ihre generation gerade in den wahlmöglichkeiten erlebt habe, möchte sie gerne fortsetzen, auch wenn sie weiss, dass es das recht jeder nachfolgenden generation ist, aus den vorgefundenen voraussetzungen das zu machen, was einem entspricht.

für die analyse solcher sozialer trends in der gesellschaft ist im buch “frauen ohne maske” regula stämpfli, die berner politologin in brüssel, zuständig. und sie tut es so, wie man es von ihr kennt: gradlinig, provokativ und mit rhetorischem geschick. “Berufe haben kein Geschlecht”, eröffnet die autorin den porträtband, “aber ein Image. Und dieses Image verändert sich, je nachdem wie hoch der Anteil Frauen und Männer in einem Beruf ist. Und mit dem Image verändert sich auch die Bezahlung. Steigt der Frauenanteil, sinken Ansehen und Lohn. Steigt der Männeranteil in einem Frauenberuf, steigen Ansehen und Lohn nur zaghaft, aber immerhin.” der taffen ankündigung folgen im bildband keine statistiken, wie man es sich gewünscht hätte. doch erhöht das den lesespass. denn in diesem buch geht es tatsächlich zu erfahren, wie frauen im berufsalltag sind, wenn sie gerade nicht über Lohn und image nachdenken, eben: ganhz ohne masken!

stadtwanderer

bern(er) inside(r)

die erinnerungsabsicht für das berner original dällenbach kari ist sympathisch. die erinnerungsarbeit hierzu weniger.

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dällenbach kari, wie man ihn aus dem film mit walo lüönd und lukas ammann kennt, erhält in berns pr-magazin “inside” ein bemerkenswertes porträt, nicht ohne eigennützige absichten des herausgebers peter bühler.

seit einer woche hat bern ein neues stadtmagazin. auf deutsch und englisch. denn man richtet sich nicht nur ans einheimische publikum; es soll auch touristInnen in berns geheimnisse einweihen.

einer der geschenkten bären aus russland ist auf dem titelblatt. der scb, das stade de suisse und anderes, was bern auszeichnet, geben populäre geschichten im 100seitigen magazin ab.

nicht fehlen kann darin auch dällenbach kari, der legendäre barbier von bern. eigentlich hiess er tellenbach karl, und wurde er 1877 im emmentalischen walkringen geboren. nach ausbildungen in worb, im freiburgischen murten und im neuenburgischen couvet kam er zur jahrhundertwende nach bern, und wurde der coiffeurmeister am 1. juli 1900 sein eigener herr und meister an der neuengasse 6.

seiner hasenscharte wegen wurde er gerne verlacht. gerade auch von seiner kundschaft. denen wollte der eigenbrötler einen anderen grund zu heiterkeit geben, was ihm zum permanenten unterhalter mit träfen sprüchen machte, die man sich heute noch in bern erzählt.

das hat dällenbach auch nationale berühmtheit eingebracht, wurde er doch von mani matter besungen und widmete kurt früh seinem leben einen film. von da weiss man auch ausserhalb berns, dass es nicht so kam, wie es kommen sollte: seine liebe zu annemarie geiser scheiterte am widerspruch des fabrikanten-vaters, und der krebs, den die ärzte nicht besiegen konnten, führte ihn in den selbstmord mit einem sprung von der kornhausbrücke.

peter bühler, der herausgeber von “bern inside”, steht dällenbach kari besonders nahe. so führt er seit diesem herbst an der belpstrasse eine beiz mit dem namen “kari’s bistro“. der frühere präsident der schweizer demokraten sitzt heute für die svp im gemeindeparlament. in erinnerung geblieben ist vor allem sein vorstoss, dem stadtoriginal ein denkmal zu setzen. und diesem vorstoss, der zur kleinen erinnerungstafel an der neuengasse führte, widmet bühler nun einen artikel in eigener sachen in seinem pr-blatt “inside(r)”.

stadtwanderer

bild und vorbild

diese woche hat er noch einmal genauso regiert, wie er es liebte. er legte die richtung in grundsatzfragen fest und überlässt die knochenarbeit den untergebenen. doch am freitag war dann schluss. denn aus bundesrat pascal couchepin wurde ein pensionär, und die schlüssel zum edi erhielt symbolisch überreicht didier burkhalter, sein nachfolger im bundesrat. das kleine vakuum an der spitze des innendepartementes nutzte die sonntagspresse, um nochmals unüberhörbare zwischentöne zum regierungsstil des abtretenden fdp-magistraten in die welt zu senden.

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so lüftete die “nzz am sonntag” die entstehungsgeschichte des bundesratsfotos von 2003, – dem jahr, als couchepin erstmals bundespräsident war. couchepin, ganz in der allüre eines patriarchen, sass klar nach vorne gerückt auf einem stuhl und streckte seine langen beine und grossen schuhe bis fast zum fotografen aus. hinter ihm war alles nur staffage. links von ihm war ein tisch, wie in zeiten des ancien régimes, und am ende sass ruth metzler, die vize des landesregierung, während die kanzlerin anne-marie huber-hotz, halb verdeckt durch den präsidenten, eine art sitzendes rückgrat bildete. die fünf übrigen bundesräte waren, fast schon wie lakaien, hinter den tisch stehend postiert worden. einzig moritz leuenberger, der nachdenklich die hand zu gesicht hielt, gab seinem leichten missfallen mit den umständen ein wenig ausdruck.

jean-marc crevoisier bestätigte nun heute, dass es zum bundesratsfoto von 2003 ein vorbild gibt: auf schloss luins, 1758 erstellt, der familie de wattwyl gehörend. es zeigt die familie von alexander von wattenwyl, die genau gleich arrangiert um eine tisch sitzend und stehen posierte. der bundespräsident entspricht dem familienoberhaupt, die vize der frau, die kanzlerin der einzigen tochter und die minister den söhnen. einzig deren zahl stimm nicht überein, hatte der berner patrizier doch deren sieben.

bekannt wurde, dass man ursprünglich sogar daran dachte, das foto des demokratisch gewählten bundesrates unmittelbar vor dem aristokratischen vorbild in luins zu knipsen, schliesslich aber davon aber absah. behalten hat man nur die komposition, die so wenig vom demokratischen geist des primus inter pares, des ersten unter gleichen, wie es 1848 entstand, zum ausdruck bringt, dafür voll dem habitus im vordemokratischen bern des 18. jahrhunderts entspricht.

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damit ist hoffentlich endgültig fertig. denn didier burkhalter hat von pascal couchepin gottseidank nur die edi-schlüssel übernommen. nichts ist bekannt, dass er auch die seiner wohnung übernommen hat, dem geschenk von beatrice von wattenwyl, der nachfahrin des bildgebers, welche den prachtvollen familienbesitz an der berner junckerngasse der eidgenossenschaft vermachte, und den unser abgetretener walliser bundesrat bis ende letzter woche gemietet hatte!

stadtwanderer

die marke bin ich

ich war gestern erstmals am berner marketingtag. das thema lautete: “die marke bin ich!” das war nicht nur ein anleitung für verkäuferinnen von rezepten, es war auch ein lehrgang für kommunikatoren, wie blogschreiberInnen!

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adolf ogi, der stadtwanderer mit felix spahr, und hanspeter danuser an der tagung “die marke bin ich”.

welche grippe auch immer es gewesen sein mag, am morgen des grossen tages des berner marketings fielen gleich zwei referentInnen aus. beim gegebenen tagungsthema war das doppelt problematisch, denn man verhandelte über “die marke bin ich”. und genau dieses “ich” kann man kaum ersetzen, wenn authentisch über diese form des marketings geredet werden solll.

am interessantesten tat das gestern der frühere kurdirektor von san moritz, hanspeter danuser. er hat den skiort im engadin zu dem gemacht, was es in unseren köpfen ist. ein ort mit sonne, wo man immer braun wird. ein ort der high society, wo man englisch spricht. und ein ort, der selbstbewusst seinen namen als marke erkannt und ihn vor allen anderen auf der schützen liess.

menschen, die so etwas leisten wollen, müssen integer sein. ohne kompetenz geht nichts. und ohne einfühlungsvermögen für andere auch nicht mehr. wichtiger noch ist ihre energie, mit der sie andere anstecken wollen. und der mut, etwas zu tun, was noch niemand gemacht hat! charisma nannte danuser das – und fügte, vielleicht ehrlich, aber ungeschickt – killerinstinkt bei. er habe im richtigen moment am richtigen ort das richtige gemacht, während die hoteliers pathologische demokraten sein, die es nie zu dem gebracht hätte, was sie heute seien. solch überhebliche selbstdarstellungen sind wohl der grund, warum wir ich-verkäufern gegenüber ambivalent reagieren. denn ihr ego fasziniert und kann den auftrag überschatten.

an diesem tag war viel von selbstdarstellern für eine sache die rede: von barack obama natürlich, von madonna auch, und von selbst von roger federer. nicht gefehlt haben auch mohammed, jesus und buddha, die stifter von gemeinschaften, für die sie über jahrtausende unverwechselbare markenzeichen geblieben sind.

das beste lebende beispiel hierfür auf der bühne des kursaals war adolf ogi, der nur wenige worte brauchte, um sich in erinnerung zu rufen. in unserem geistige auge sahen wir den meiringer verkäufer nochmals erfolgreichster skidirektor werden, für die svp in den bundesrat einziehen, und als schweizer zum geachtete uno-botschafter für sport aufzusteigen. seine art, etwas zu sagen, war so prägnant und inszeniert zu gleich, dass wir heute noch wissen, zu viel strom zu verbrauchen, wenn wir eier kochen. unvergessen ist auch der tannenbaum während der neujahransprache von ogi, der sie speziell machte, obwohl immer das gleiche gesagt wird. und eingraviert in unser kollektivgedächtnis hat sich die begegnung des bundesrates mit raumfahrer nicollier, als der oberländer druckreif aus dem globi-buch zitierte: “freude herrscht!”. das alles gehört zur eigeninszenierung, die aber nicht nur für sich selber erfolgt, sondern für eine sache. bei ogi unzweifelhaft für die neat, die er gegen alle widerstände durchgebracht hat.

genau das ist es, was den botschafter als marke ausmacht, habe ich gestern gelernt: die gemeinschaftsbildung durch selbstdarstellung, die sich kräftiger symbole bedient, um die aufmerksamkeit des publikums zu gewinnen, um etwas zu verkaufen. sei es eine religion, ein produkt, eine dienstleistung – oder einen blogbeitrag.

stadtwanderer

keep it simple and stupid – bis zum geht nicht mehr!

keep it simple and stupid, oder eben: kiss, sagt alexander segert, der starwerber der svp, kurz und bündig. und verführt so regelmässig die massen. so erfolgreich, dass ihn jetzt auch die alternative liste zürichs nachäfft.

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diese gegenüberstellung sollen die zürcherInnen und winterthurerInnen nächste woche zu sehen bekommen.

das schon bekannt gemachte plakat wirbt für ein ja zur anti-minarett-initiative. die andere, neue affiche ist für den stopp von kriegsmaterial aus der schweiz. ersteres kommt aus dem umfeld der äusseren rechte, zweiteres der äusseren linken.

doch damit genug der spiegelbilder und spiegelfechterei! deshalb die unverblümte frage des stadtwanderers: was soll das?

sicher, der gag der linken ist geglückt. man hofft wohl, mit einem ähnlichen medienrummel die gleiche aufmerksamkeit zu erheischen. doch genau so sicher ist es, dass es sich um eine fantasielose kopie handelt, die mit den gleich stereotypen mittel arbeitet.

die darstellung des mannes mit schweizer herkunft ist noch das beste. denn sein böser blick in traditioneller kluft persifliert die frau muslimischen glauben, die auf dem minarett-plakatt völlig unnötig ist. und er ist ein wenig biedermann und brandstifter zugleich, das ist eine anspielung an die verantwortlichen des anderen plakates. eine schweiz, übersäht mit raketen ist aber ebenso lächerlich wie eine schweiz überfüllt mit minaretten. da wird hüben wie drüben schlicht überzeichnet.

sich nie auf das feld dessen zu begeben, den man bekämpft, ist die erste regel in der politischen kommunikation. denn damit transportiert man automatisch dessen botschaften weiter. das kennt man spätestens seit den schäfchen von 2007, die es plötzlich in allen formen gab. politik, die nicht durch werbung verkommt heisst: eine eigene arena aufbauen, auf die alle gebannt schauen müssen, ist die logische konsequenz daraus. der rest ist doch eine halbe kapitulation, vielleicht satire, aber kein politisches argument. und schon gar nicht aufklärung, die man in der aktuellen situation erwarten würde.

to simple and to stupid, sag ich da, und füge bei: keep both away!

stadtwanderer

meine tagesbilanz zum plakat für die minarett-initiative

der abstimmungskampf zur volksinitiative, welche den bau von minaretten in der schweiz generell verbieten will, begann mit einem medialen paukenschlag zum möglichen verbot des plakates der befürworterInnen. eine erste tagesbilanz!

17am morgen stimmte mich professor kurt imhof via tamedia-zeitungen ein: “Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in allen Ländern stark diskreditiert. Die Schweiz war davon nicht in gleichem Masse betroffen. Um eine Rassismusdebatte kam sie damit herum.” zuvor hatte der soziologe die radikalisierung der svp-plakate analysiert. angefangen habe es mit dem messerstecherinserat, das sei als politische propaganda noch durchgegangen. dann habe ein asylant eine schweizer fahne zerrissen, womit die grenze erreicht worden sei. jetzt richte sich das plakat gegen eine ganze bevölkerungsgruppe. das gehe zu weit!

genau das nahm am heutigen nachmittag die eidgenössische rassismuskommission auf. von verschiedenen städten angefragt, erklärte sie, die plakate nährten vorurteile, seien pauschalisierend und stellten den islam als bedrohung dar. sie suggerierten, man müsse sich in der schweiz fürchten. das verunglimpfe alle, die in der schweiz friedlich leben wollten. den städten empfahl die kommission einen “sorgfältige Güterabwägung zwischen Meinungsfreiheit, Diskriminierungsschutz und dem Schutz der schweizerischen Gesellschaft vor Hass fördernder Agitation.”

den städten, die angefragt hatten, erschien das entsprechend nur bedingt hilfreich. basel hatte hatte die stellungnahme gar nicht abgewartet und entschieden, keine plakate aufzuhängen, da man sich verpflichtet habe, rassismus keinen vorschub zu leisten. st. gallen markierte den gegenstandpunkt: weil man mit einer bannung den befürworterInnen der minarett-initiative nicht in die hände arbeiten wolle, lasse man die plakate zu. lausanne und yverdon wiederum lasen die heutige stellungnahme der erk als aufforderung für ein verbot, während die stadt genf das gleiche dokument genau umgekehrt interpretierte. genau das ärgerte schliesslich berns stadtpräsident alex tschäppät. er intervenierte beim schweizerischen städteverband, für eine einheitliche regelung zu sorgen – wie auch immer die aussehe!

“Es wird wie immer in der Schweiz eine Patchworklösung geben”, hatte ich am morgen dem interview von imhof entnommen. einige städte und kantone werden das plakat erlauben, andere es verbieten, prognostizierte der zürcher professor. das problem sei, dass die schweiz, wie sie bundesrat und parlament in sachen minarett-verbots-initiative empfehlen, in eine “lose-lose”-situation geraten sei: im inland mobilisierten die parziellen verboten plakate die befürworterInnen, um sie gegen die zensur der meinungsfreiheit zu wehren. und im ausland werde man die aufgehängten erwähnen – als beweis für den rassismus, der in der schweiz salonfähig geworden sei.

vor knapp drei wochen hielt ich in meiner nachanalyse zu den parlamentswahlen im vorarlberg, wo ein viel harmloseres plakat unter anderem zu minaretten das land aufgewühlt und die bisherige konservativ-freiheitliche regierung gesprengt hatte, den mechanismus der wahlkampflancierung wie folgt: “Bilanziert man den Wahlkampf der FPOe, kann man vorerst festhalten: Sie setzte inhaltlich focussiert auf verdrängten Themen und kombinierte das stilmässig mit den Mitteln der Provokation. Das kostete ihr zwar die Reigerungswürdigkeit. Doch gelang es ihr, die angedrohte Verlagerung auf die Oppositionsbänke zu nutzen, um sich bei den bisherigen NichtwählerInnen massiv zu empfehlen, und der OeVP verärgerte WählerInnen abzunehmen. Die Partei hat damit nicht die Mehrheiten bekommen, aber mehr WählerInnen angesprochen als bisher, wie das die SVP in der Schweiz auch macht. Zuerst braucht es die Oberhoheit über die Oeffentlichkeit, um die eigenen Themen ins Zentrum zu rücken. Und dann dann setzt man voll auf Mobilisierung gegen das irritierte Establishment, womit sich das wählende BürgerInnenspektrum nach rechts bewegt.”

oder anders gesagt: worüber stimmen wir ab? über unsere alltagserfahrungen mit menschen muslimischen glaubens, über ihre skandalisierung, über die öffentliche suspendierung eines deplazierten plakates. oder über eine volksinitiative, die den bau von minaretten in der schweiz generell verbieten will. wenn ich meinen tag bilanziere, habe ich den eindruck, erstes finde statt, wenn ich auf die abstimmungsfrage schaue, ist nur zweiteres der fall.

zurück auf feld eins ist da meine antwort!

stadtwanderer

abgrundtiefes misstrauen über den tod hinaus

meine erste tätigkeit in der stadt besteht häufig aus zeitungslesen in einer der quartierüblichen kaffeecken. doch heute blieb mir dabei das gipfeli fast im hals stecken.

inserattages-anzeiger vom 30. september 2009

herbert karch, der sekretär der kleinbauernvereinigung, der wie ich häufig im cafe glatz am hirschengraben seinen kaffee nimmt, wechselt den tisch und streckt mir eine zeitung hin. “was soll das?”, denk ich mir, denn es ist die seite mit den todesanzeigen.

ja, was soll das! ein jux? ein manifest? oder was auch immer …

fakt ist, dass ein pedro justitz, auslandschweizer, auf bali wohnend, als erstgeborener sohn eine todesanzeige für seinen verstorbenen vater heinz (yehuda) justitz platziert hat. fakt ist auch, dass es ein facharzt mit entsprechendem namen, wohnort und jahrgang gelebt hat, und gemäss schweizerischer ärztezeitung dieses jahr auch verstorben ist.

umso merkwürdiger mutet es an, dass fünf monate nach dem tod der person zur keiner guten erinnerung aufgerufen, sondern zum 100. geburtstag des verblichenen ein frontalangriff auf den bundesrat lanciert wird, dem, als “bundes-bern-lobby” apostrophiert, gravierende führungsschwäche vorgeworfen wird.

und so bleibt mir, als ich das cafe glatz verlassen, um mich den geschäftigen dingen des tages zuzuwenden, nur die frage, was passiert sein muss, dass man ein solch persönlich-politisches pamphlet auf der seite der todesanzeigen veröffentlicht? und auch, ob eine solche geschmacklosigkeit in einer zeitung wie dem tages-anzeiger an besagter stelle überhaupt erscheinen darf?

stadtwanderer

das mag couchepin wirklich nicht …

das herrliche herbstwetter verleitet mich, über mittag meiner beliebtes tätigkeit nachzugehen. dem stadtwandern, in der berner altstadt. da wird es unvermittelt hoch politisch.

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in der münstergasse treffe ich auf pascal couchepin. man grüsst sich freundlich. “l’expert”, nennt er mich mit vielsagendem lachen und beginnt gleich mit mir über wahlen und abstimmungen zu sinnieren. “une belle victoire”, fasst der abtretende bundesrat den letzten mittwoch zusammen, als seine nachfolge in der schweizer regierung bestimmt wurde. als sich das gespräch vorsichtig dem nächsten sonntag nähert, werden die worte

… (zensur fdp generalsekretär) …

zum spassen ist dem walliser, als wir schliesslich die deutschen wahlen besprechen. ich zeige ihm “den spiegel”, den ich eben gekauft habe. das titelblatt ist vielschichtig: es kommt so … (merkel) … oder so … (steinmeier) … aber bitte nicht wieder so (steinkel)! “ce n’est pas bon pour le pays”, sagt mir der magistrat gegenüber, und meint die verwechslung von politikerInnen bis zur unkenntlichkeit in der grossen koalition.

und da endet unsere kleine fachsimpelei, denn couchepin muss zum staatsempfang, für dmitri putin …

stadtwanderer

ohne unterbruch durch welten wandern und die zeit vergessen

mein zug kommt um 9 uhr 59 in lenzburg an. im einladungsmail steht, dass ich um 10 07 in der ausstellung sein werde. denn acht minuten braucht man wandernd bis zur ausstellung “nonstop” des stapferhauses.

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sibylle lichtensteiger vor der rückseite der schliessfächer für die uhren der besucherInnen ihrer ausstellung “nonstop”, bei der es um die geschwindigkeit unserer zeit geht

sibylle lichtensteiger hat mit ihrem team die expo des momentes konzipiert. schon beim empfang merkt man, dass sie tempo wegnehmen will. die gelernte historikerin begleitet mich in einen wartebereich. durch eine schleuse tritt man in den entschleunigungsraum – einer gelungenen mischung aus duschraum im zivilschutzbunker und orientalischer gartenoase. erfrischt werden soll hier das gemüt: zuerst hört man wassertropfen, mit denen man in der antike die zeit mass. dann wird heftig kommuniziert, um den takt vorzugeben, bis schliesslich unsere mobilität zum akustischen thema wird, die alles möglich erscheinen lässt.

“das sind unsere tempomacher”, erklärt meine führerin. und geleitet mich ohne verzug zum nächsten thema. man wähnt sich im regieraum einer fernsehstation, als sie ihre lieblingsclips auf sechs bildschirmen vorspielt. alle haben sind sie dem gefühl gewidmet, wie geschwindigkeit im alltag entsteht. da spricht der chefredaktor der pendlerzeitung “20 minuten” über konkurrenz im mediensystem, die es nötig mache, auf den bürger als journalisten zu setzen, der sich per zufall am ort des geschehens befinde und in noch weniger als 20 minuten seine bilder und eindrücke weltweit verbreiten könne. oder es sinniert der migros-manager für die convenience-linie über sensationelle wachstumsraten, die man damit erziele, die zeit vom einkaufen des essen bis zu seinem verzehr stets zu reduzieren.

wer meint, es gehe bei nonstop in diesem rhythmus weiter, wird überrascht. denn die besucherInnen werden beispielsweise auch in eine bar gelockt, wo es um lebensgeschichten zum thema zeit geht. statt einer nüsslischale bekommt man einen plattenteller serviert, und auf der drinkkarte kann man eine der vielen zeit-beschreibungen auswählen, die der geschichtenkeeper servieren kann. ich entscheide mich für die von kathrin nadler, der stadträtin von lenzburg, die aus der politik auszustieg, um ihre eltern in den tod zu begleiten. und da wird es persönlich, denn ich habe die beiden menschen, deren lebensende erzählt wird, gekannt, ohne je die muse zu finden, mich von ihnen zu verabschieden.

überhaupt, der mix an ideen ist es, der in der ausstellung nonstop gefällt. wer möchte, kann sein lebenstempo im psychotest bestimmen lassen. wer sich danach nicht gut fühlt, kann sich gleich an einen zeit-therapeuten wenden. wessen ding das alles nicht ist, kann im estrich die momente des glücks nachlesen, als die welt unserer zeitgenossInnen stillstand, oder im kino zusehen, wie kindergartenkinder mit viel, viel mühe scherenschnitte machen und behinderte falzprospekte fast unendlich langsam einpacken. und wer es gerne ganz neutral hat, lässt sich einfach von wissenschafterInnen in die sichtweisen der geschwindigkeit einführen, die physiker, sozologinnen und kulturschaffende betonen.

ganz am anfang des rundgangs werden allen besucherinnen gebeten, sich der gesellschaftlichen zeit zu entledigen, um zur eigenzeit zu finden. deshalb gibt man alle uhren, handies, fotoapparate und notebooks in einem schliessfach ab. selbstverständlich tat auch ich das. als mich sibylle lichtensteiger am ende der führung die berühmten acht minuten zum bahnhof begleitete, merkte ich, wie gründlich das auf mich gewirkt hatte.

denn ich habe mein eigene zeit in “nonstop” so intensiv erlebt, dass ich vergessen habe, meine fremde zeit am schluss wieder mitzunehmen. und so wandere ich seither, ohne unterbruch, ohne uhren durch die welt …

stadtwanderer

abstimmung für dummies

wenn ich nun morgens in die stadt fahre, flitzen die ersten abstimmungsplakate an mir vorbei. das ist gut so, denn dann stellt man fest, was einem auf die schnelle bleibt.

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seite an seite, zum gleichen thema, im ähnlichen stil, und doch für das gegenteil: werbung zur volksabstimmung über die iv zusatzfinanzierung (foto: stadtwanderer)

ich bin perplex. dachte ich doch, wir stimmten über eine weitere iv-revision ab. nun sagen die einen, man wolle die ahv sichern, während die anderen von ahv plündern reden.

was nun ist sache? geht es um die invalidenversicherung, oder um die alters- und hinterlassenenversicherung? ist es ein raubzug auf die ahv kasse, oder die letzte chance, deren löcher zu stopfen? sanieren wir mit einem ja die iv? oder erhöhen wir einfach die steuern?

ich habe da eine idee: wer schafft es, kurz und knapp, zu begründen, um was bei der abstimmung geht, resp. was dafür oder dagegen spricht? also ein bundesbüchlein für dummies zu schreiben.

gefragt sind zweizeiler, aber bessere als auf den plakaten …

stadtwanderer

ali kebap plakate: des rätsels lösung

sagte ich’s doch: die allgemeinen plakatgesellschaft steckt hinter der ali-kebap-kampagne.

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worüber “man” schon länger spekuliert, ist nun klar. und was “man” schon länger erwartete, ist auch eingetroffen: die apg selber steckt hinter der aufwändigen plakatserie mit der omnipräsenten ankündigung eines neuen kebap-standes in der stadt.
und es wird das genau gleiche motiv wie seinerzeit bei der “wer ist angie becker”-kampagne resp. bei der “hauptstadt-frage” für die aktion genannt: man wolle mit einem live-experiment beweisen, welche wirkungen plakate haben, schreibt die apg in ihrem heutigen outing.
das ist eine geschickte form, erwidere ich, die gegenwärtige leere in der werbewirtschaft zu übertünchen!
und ich glaube, das weiss auch die apg. denn sie kündigt eine fortsetzung der plakate an. ali sucht bald angestellte für seinen stand.
“wenn werbung stellen schafft”, ist also die frohe botschaft! wer’s glaubt, bekommt einen kebap, schiebe ich da noch nach. abzuholen bei der apg selber!
und bedanke mich bei der gelegenheit für die knapp 12’000 bloggerfreunde, die meinen frühen beitrag hierzu bisher angeclickt haben. ein rekord, fast so phänomenal wie der von usain bolt …

stadtwanderer

ali kebap – new in town !?

wenn ich von den ferien zurückkomme, studiere ich als erstes die plakatwände. an deren neuerungen erkennt man am besten den kulturwandel der öffentlichkeit. und der fällt einem nie besser auf, als nach eine unterbruch der sehgewohnheiten.

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quelle: titus flickr augenreiberei
ganz nach dem motto: wer bin ich, und wenn ja, wieviele?

dieses jahr bin ich natürlich als erstes beim plakat “ali kebap” hängen geblieben. in bern ist es an prominetesten stellen gut sichtbar.

auf recht grellem gelb präsentiert ein orientalisch anmutender mann seinen stilisierten kebap-stand.

wäre nur sein lächeln, wäre da kein zweifel gewesen; das ist “ali um die ecke”, wie man ihn aus jeder grossstadt kennt.

doch hält er sein messer leicht bedrohlich nicht fest, um ein stück des gewärmten fleisches abzuschneiden. vielmehr steht er vor allem, direkt zum betrachtet, sodass auch der eindruck eintstehen kann, ali wolle sich mit dem kunden, der interessentin oder ganz einfach mit allen anlegen.

der titel “new in town” lässt erahnen, dass wir in bern auf jeden fall in eine neue ära eingetreten sind. da man das plakat jedoch nicht nur in bern sieht, sondern auch in anderen städten, in denen ich zwischenzeitlich war, muss man sogar von einer gesamtschweizerischen aktion ausgehen.

doch, und das überrascht dann ganz: kein einiziger “ali-kebap-stand” findet sich irgendwo. selbst die recherche auf google führt einem in der schweiz zu einer adresse.

was also ist los?

steht uns ein bewaffneter überfall bevor? kommt eine neue fett-kette auf uns zu? oder ist es gar wieder eine kampagne der plakatgesellschaft, die uns schon 2007 mit der frage “braucht die schweiz eine neue hauptstadt?” erfolgreich aufwühlte.

und so frage ich: wer ist ali kebap, und wenn ja, was alles macht er?

stadtwanderer

bilcken sie durch?

“Gesamtbundesrat bedroht! Schweiz bald führungslos?”, steht in den bekannten grossen lettern auf dem riesenaushang von “Bilck”.

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bilckfang mit falschem blickaushang. nur wer genau liesst, merkt, was nicht stimmt (foto: stadtwanderer)

das plakat am berner bahnhof kann man nicht übersehen. wer es rasch liesst, bekommt mit: wir ins in not! wer dann aufs tram wartet und zeit hat, merkt, dass da was nicht stimmt.

format, farben und schriften täuschen usn ganz bewusst. der trick ist bekannt: wir erfassen die umgebung des textes zuerst und werden konditioniert. die marke, für die geworben wird, erahnen wir dann: “b..ck” steht in diesem umfeld für “blick”. mit nichten: denn es genau genommen um “bilck”.

es ist gar nicht so einfach herauszufinden, wofür “bilck” steht. denn selbst google mag zwischen den beiden wörtern nicht zu unterscheiden, so oft wurde es unwissentlich falsch geschrieben. und so kommt man von bilck direkt zu blick.

aufgefallen sind mit die plakate aber bereits 2007, damals noch illegal. sie zierten den wahlkampf zu den parlamentswahlen 2007. heute hängen die neurlichen plakate an offiziellen wänden. ich vermute, das ist so eine werber-aktion, leicht aus dem untergrund. und gerade recht, um in der werbeflaute die bereitgestellten stellwände zu füllen.

a propos flaute: ein blick auf den wirklichen blick-aushang erhellt wenigstens, wer uns bedroht. denn das zürcher boulevardblatt nahm heute effektiv den bundesrat aufs korn genommen. genau genommen die löhne der mitglieder des bundesrates. bedrolich wirkt doris leuthard. sie möchte sich und den kollegInnen in der bundesregierung den lohn kürzen. um 10 prozent, um ein zeichen zugunsten der arbeitslosen zu setzen.

wir wärs, wenn man auch bei den ausbezahlten bankerboni ein zeichen mit diesem prozentwert setzen würde? jedenfalls wäre es einträglicher und würde meine aufmerksam noch mehr anziehen als das plakat, auf das ich heute fast hereingefallen wäre.

stadtwanderer

victorinox zum europatag

genau zum “europatag”, mit dem man dem ende des zweiten weltkrieges am 8. mai 1945 gedenkt, veranstaltete die european association of political consulting in zürich ein mehrtägiges symposion unter dem titel “from local to transnational“. einige eindrücke des stadtwanderers.

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schweizer armeemesser der marke victorinox als referentengeschenk für den auftritt an der eapc-konferenz in zürich

am freitag ging es um die entwicklung lokaler politischer kommunikation und ihrer verfasstheit in spezifischen interessen, nationalen prozessen und sturkturen hin zu europäisch ausgerichteten diskursen, die europäische öffentlichkeit für wahlen, abstimmungen und politischer meinungsbildung erlauben sollen.

am freitag hatten zahlreiche in der schweiz tätige intellekturelle, diplomaten, manager und politikerInnen gelegenheit, den stand ihrer reflexionen hierzu von einem europäisch zusammengesetzten publikum zu diskutieren. thomas fleiner (uni fribourg), hanspeter kriesi (uni zürich), ruedi ramsauer (nestle), michael reiterer (eu-kommission in der schweiz), doris fiala (nationalrätin, europarätin), andreas gross (nationalrat, europarat) und der stadtwanderer (vertreter der berner gassen) machten klar, wo stärken (erfahrungen mit direkter demokratie, mit freidlicher konfliktregelung hohe wirtschaftliche vernetzung) und schwächen (politisch isolierung, mangelnde professionalisierung der internationalen politischen interessenvertretung) der schweiz sind resp. die schweiz vom europäischen umfeld resp. dieses von den schweizer potenzialen lernen oder besser gleich ganz vergessen sollte.

die von der pr-agentur stöhlker (motto: “eurokommunikation statt us-marketing“) vorbereitete tagung, in ihrem gehalt durchaus beachtlich und anregend, organisatorisch durch nicht ganz durchgezogene kohärenz geprägt, brachte den referentInnen aus der schweiz durchaus vorteile, erhielten doch alle als dank für ihren unbezahlten auftritt ein messer geschenkt, marke victorinox und symbol der schweizer armee, wohl auch als zeichen dafür, was von der insel schweiz aus der grenzbesetzung 1939-45 im vereinten europa von 2009 geblieben ist.

stadtwanderer

werte, werter, wertes leser

8. märz. internationaler frauentag. gute gelegenheit, wieder einmal über (die eigene) sprache nachzudenken.

untitled1luise f. pusch, feministische linguistin, provoziert seit 30 jahren mit ihren sprachvorschlägen, und setzten sich damit meist irgendwie durch

luise f. pusch, die pionierin der feministischen linguistik im deutschen sprachraum, bilanziert die versuche zur neutralisierung des deutschen als männersprache: “Die feminstische Sprachkritik hat die Grammatik tatsächlich verändert”, hält sie im interview mit dem österreichischen “standard” fest.

in den letzten 30 jahren wurden

. doppelformen (leserin und leser),
. schrägstriche (leser/in),
. das binnen I (leserInnen),
. das sternchen (les*) resp.
. der unterstrich (leser_innen)

eingeführt, um das makulinum als geschlechtsneutrale form von substantiven zu ersetzen.

den ist-stand interpretiert die linguistin als kreative gerangel. keine lösung habe sich in allen gesellschaftsschichten durchgesetzt. doch sei die kritik, dass frauen in der sprache bis vor kurzem nicht repräsentiert gewesen seien, weitgehend akzeptiert.

“Das “in” und “innen” ist im Deutschen gegeben und daran können wir anknüpfen, längerfristig bin ich aber für die Abschaffung des “in”. Ich bin also für folgende Art von Neutralität: die, der und das Antiquar!”

keine angst, das kommt nicht sofort, auch auf diesem stadtwand* nicht. es bleibt beim I, weil es sich von den minuskeln so schön abhebt. nochmals pusch: “Also ungefähr in ein paar hundert Jahren, wenn sich die Menschheit daran gewöhnt hat, dass es auch Frauen gibt. Das muss intensiv in die Gehirne eingeimpft werden, mit viel Gebrauch von “in” im Deutschen.”

immerhin als vorbereitung auf die zukunft: werte, werter, wertes leser, bleiben sie die nächsten paar hundert jahre dran!

stadtwanderer

das ganze interview

gartenrotschwanz und biodiversität

der gartenrotschwanz ist der vogel des jahres 2009. nicht nur weil er hübsch und sympathisch ist. vor allem weil intensive landwirtschaft die farbenfrohen gesellen so stark bedrohen, dass sie hierzulande kaum mehr anzutreffen sind, teilte gestern der vogelschutz svs/birdlife mit. ein typisches problem der mangelnden biodiversität, ergänzt der stadtwanderer.

gartenrotschwanz weibchen (foto: schweizer vogelschutz)

im zusammenhang mit dem gartenrotschwanz ist rot von doppelter bedeutung. auffällig rot sind die schwanzfedern. doch rot ist auch die liste, auf der der gartenrotschwanz neuerdings steht. denn seine art ist hierzulande gefährdet.

als gründe hierfür nennt der schweizer vogelschutz birdlife fehlüberlegungen bei der landschaftsgestaltung. in den 60er jahren des 20. jahrhunderts fällte der bund in einer verheerenden aktion hochstamm-obstbäumen; und die landwirtschaft setzte ganz auf intensivierung der produktion.

der schweizer vogelschutz hat das erkannt, und handelt in die umgekehrte richtung. er fordert mehr parks mit alten, höhlenreichen bäumen, siedelt selber hochstamm-obstbäume an und setzt sich für extensiv genutzte wiesen mit möglichst vielen insekten ein.

ein typisches beispiel für die generelle problematik der sich verringernden artenvielfalt, fügt der stadtwanderer bei. biodiversität nennt man das in der sprache der naturwissenschafter, denn es geht um die biologische vielfalt, ja um die vielfalt des lebens. vielfalt der gene, vielfalt der arten und vielfalt der lebensräume gilt es zu erhalten, denn sie alle gelten als zeichen einer gesunden umwelt.

das biodiversitätsmonitoring des bundes hält hierzu fest: 50’000 Pflanzen- und Tierarten kommen in der schweiz vor. die gesamtzahl ist in den vergangenen Jahren zwar konstant geblieben. viele arten existieren aber nur noch in kleinen beständen und an wenigen stellen. sie sind gefährdet. die biodiversität ist ein reichtum, den wir hüten und wieder entwickeln müssen, denn sie liefert holz, nahrung, textilien, chemische grundstoffe und arzneimittel. unsere lebensqualität ist davon abhängig.

nach anfänglichem zögern hat nun auch die politik das begriffen. sie erklärte 2008 die förderung der biodiversität zu einem der 18 legislaturziele für die arbeit des eidgenössischen parlamentes bis zu den nächsten wahlen. und reagierte damit im letzten moment auf das weltumspannende programm zu gunsten der artenvielfalt, welche in das uno-biodiversitätsjahr 2010 münden wird.

stadwanderer

die tschäppät-initiative und ihre folgen

wenn man im studio leutschenbach ist, hört man hie und da ein neues wort. “tschäppät-initiative” ist ein solches. die übersicht und entstehung und folgen der wortschöpfung in der helvetischen politsprache.

“gut geschlagen”, habe sich alex tschäppät, berner stadtpräsident, am sonntag als gast der satiresendung giacobbo/müller, weiss die bernerzeitung zu berichten. zur sprache kamen themen wie polizeieinsatz gegen tibeter und berns bierkonsum während des holländersturms. die ubs bekam ihr fett ab, und auch der zsc wurde aus glatteis geführt. schliesslich mokierte man sich über die kochende volksseele, symbolisch als wurst auf dem grill im studio, die tschäppät liebend gerne seinem hund verfüttern wollte.

schliesslich war das ja eine satire-sendung.

ernster ist allerdings das problem der repräsentation der bundesstadt im leutschenbach. oder die präsenz des schweizer fernsehens in bundesbern. da ortet man in bern seit geraumer zeit mehr defizite als es zürich lieb ist.

“tschäppät-initiative” nennt man die charme-offensive des berner stadtpräsidenten in den gängen des fernsehstudios bereits. und weiss schon über den ersten ernstfall zu diskutieren: die elefanten-runde der parteipräsidenten soll am kommenden abstimmungssonntag nicht mehr in zürich vom stapel gehen, sondern in bern stattfinden. schliesslich seien christian levrat von der sp, christophe darbelley von der cvp und ueli leuenberger von den grünen alle aus der romandie. fulvio pelli wiederum, der designierte chef der fusionierten fdp-liberalen, komme aus dem tessin, und toni brunner, boss der svp, aus der ostschweiz. das zentrum aus alle dem sei bern nicht örlikon, lautet das fazit wichtiger politstimmen.

der zoff dahinter schwelt schon länger. wenn sich die parteispitzen in zürich repräsentieren lassen, ist das gut fürs sf-publikum, nicht aber für jenes von tsr und tsi. bern wäre da für den sprachenfrieden besser. geht von der infrastruktur her nicht, entgegnet man da bei sf. nicht einmal das neue medienzentrum reiche, um eine wirklich grosse sendung durchziehen zu können, hört man etwa. dabei wissen alle: die sache dreht sich nicht wirklich um drei kameras für die elefantenrunde bei volksabstimmungen. vielmehr denkt man schon an den nächsten ganz grossen politevent der schweiz, an die parlamentswahlen 2011. und wo die verfilmt werden!

die tschäppät-intiative ist deshalb mehr als ein kleiner brandherd. toni brunner legte die fackel letzte woche, als er ausrichtete, für kommentare zur personenfreizügigkeitsabstimmung nur in seiner beiz ebnat-kappel zur verfügung zu stehen. und christoph blocher legte gleich eine schiitli nach. sein teleblocher erscheine diese woche nicht wie üblich am samstag nachmittag auf internet, sondern just während der pressekonferenz des bundesrates am sonntag abend. die fdp wiederum feiert nicht wie immer im berner restaurant zum äusseren stand, sondern in den werkhallen ihre kampagnenleaders johann schneider-ammann in langenthal, während sp und cvp demonstrativ im äusseren stand auf das ergebnis warten. ausser den grünliberalen, die zwar zur zentrumsfraktionunter cvp-fittichen gehören, am sonntag aber nach langenthal reisen.

obwohl das ja keine satiresendung werden soll!

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